Entstehung des Wappenwesens

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Jochen
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Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Jochen » 01.09.2020, 07:51

Frank Martinoff hat geschrieben:
31.08.2020, 22:38
.... Danke :!:

... nur als ein Beispiel!
.. ich kann belegen, dass diese Familie aus der
Normandy in 1086 schon "mindestens" die dritte Generation war... ursprünglich mit anderem viel früherem Wappen aus der Schweiz kam...
....mit längerem Zwischenstop "Corbie 9tes Jahrhundert" im Nordem

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Corbet_family
Ich sehe aber nur das Siegel aus dem 14ten Jhdt. aber keine "Belege", daß das Wappen früher geführt wurde.
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jochen

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Tejas552
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Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Tejas552 » 01.09.2020, 08:42

Kaisertreuer2 hat geschrieben:
01.09.2020, 03:03


1) Die waren, daß es der Mensch der Antike bis zum Mittelalter es nachweislich gerne bunt hatte, mit kräftigen Farben ohne viele Zwischentöne.

Man könnte hier spekulativ das Konzept des "horror vacui" anfügen, also die Angst for der Leere. Angeblich fürchtete man sich vor leeren Flächen, weil leere Flächen dem Bösen Raum geben um sich auszubreiten. Ich halte das in Bezug auf Schilde kaum überzeugend. Wie du schon sagst, die Menschen hatten immer schon einen Drang nach Farben und Verzierung. Der Schild war eine natürliche Projektionsfläche um diesem Drang nachzugehen.

Kaisertreuer2 hat geschrieben:
01.09.2020, 03:03
2) Sicherlich dürften auch in vorheraldischer Menschen einer bestimmten Gruppe, Sippe, Familie sich mit bestimmten Symbolen (und Farben) verbunden gefühlt haben, wahrscheinlich über Generationen hinweg, siehe auch Franks Beispiele. Im Prinzip könnte das auch bei der Familie meiner Mutter so gewesen sein, denn Prinz Eitel Friedrich von Preußen meinte bei einem Vortrag vor den Johannitern 1930, Gorm der Alte, auch Worm genannt, wäre der Ahnherr der späteren Worms (-> v. Wurmbs) in Thüringen. Neben verschieden Gründen nannte er auch das Feldzeichen Gorms, ein Drache/Lindwurm und die Farben Blau/Gold. Mangels Urkunden läßt sich diese Theorie nicht erhärten, aber wäre sie wahr, hätte auch hier ein Symbol aus vorheraldischer Zeit es über Jahrhunderte und Generationen hinweg in ein späteres Wappen geschafft.
Ein vielleicht etwas besseres Beispiel als die Argumentationskette Gorm - Worm - Lindwurm, ist das sogenannte Siegel des Wulfila. Wulfila, der Name ist gotisch und bedeutet kleiner Wolf, war ein Bischof im 4. Jh. Es existiert ein Siegel, das einen Wolf als Griff zeigt und dessen Druckplatte als Wulfila, o.ä. gelesen werden kann.

http://www.gotica.de/siegel.html

Die Zuweisung zum Bischof ist aber höchst unsicher und die Echtheit des Siegels wurde mehrfach angezweifelt.
Kaisertreuer2 hat geschrieben:
01.09.2020, 03:03
...

Gegen die Rüstungsthese spricht meiner Meinung auch die Frage, warum zur Unterscheidung von Freund und Feind man als Heerführer keinen einheitlichen Waffenrock von seinen Rittern verlangte oder zur Verfügung stellte. Zumindest den hatten ja schon die verschiedenen Ritterorden und das langte vermutlich dann auch. Und ob eine Helmzier auf dem Schlachtfeld zu gebrauchen war, wage ich auch zu bezweifeln. Ich stelle mir auch vor, vor mir stehen 1000 Ritter. Könnte ich mir all die Schilde und Wappen merken? Der einzelne Ritter, jeder ein Herold? Kaum vorstellbar, aber man sollte die Menschen von damals auch nicht unterschätzen.

Die Idee wonach weltliche Ritter den Waffenrock von Heerführern, praktisch als Uniform, getragen hätten stammt vorwiegend aus Hollywood. Es mag einige Ausnahmen gegeben haben, aber weltliche Ritter trugen individuelle Waffenröcke, wobei diese oft nichtmal heraldisch waren. Bei den Ordensrittern war das natürlich anders. Den Deutschordensrittern war ein weisser Waffenrock mit schwarzem Kreuz in den Ordensregeln vorgeschrieben, bzw. als Privileg zugestanden (Nicht-Ritter des Ordens trugen Grau oder Schwarz).
Trotzdem spielte die Heraldik auf dem Schlachtfeld eine wichtige Rolle. Von der Schlact von Azincourt 1415 ist überliefert, dass der Herzog von Brabant verspätet zur Schlacht erschien. Er hatte keine Zeit mehr seine Rüstung anzulegen und ging sofort zum Angriff über. Jedoch versäumte er es nicht ein Tuch mit seinem Wappen überzuwerfen um als Herzog erkennbar zu sein.
Vor der Schlacht von Tannenberg 1410 zeigte man den Söldnern offenbar die Schilde der weltlichen Gastritter, damit diese nicht versehentlich von ihren eigenen Leuten angegriffen wurden. Man muss dabei beachten, dass die Ritter immer nur in kleiner Zahl auf einem Schlachtfeld vertreten waren. Das Heer des Deutschen Orden zählte 1410 vielleicht 20000 Mann, darunter etwa 400 Ordensritter und vielleicht 50 Gastritter.

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk

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Tejas552
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Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Tejas552 » 01.09.2020, 08:47

Jochen hat geschrieben:
01.09.2020, 07:51
Frank Martinoff hat geschrieben:
31.08.2020, 22:38
.... Danke :!:

... nur als ein Beispiel!
.. ich kann belegen, dass diese Familie aus der
Normandy in 1086 schon "mindestens" die dritte Generation war... ursprünglich mit anderem viel früherem Wappen aus der Schweiz kam...
....mit längerem Zwischenstop "Corbie 9tes Jahrhundert" im Nordem

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Corbet_family
Ich sehe aber nur das Siegel aus dem 14ten Jhdt. aber keine "Belege", daß das Wappen früher geführt wurde.
Hallo Jochen,

im Link von Frank heisst es :

"Family legend has a mythical Corbet le Normand arriving in 1066 with William the Conqueror from Normandy carrying a banner displaying a raven, from his supposed name Le Corbeau, usually translated from Norman French as "the Raven".

Es scheint sich hier eher um eine Familienlegende als um belegbare Tatsachen zu handeln. Für solche Legenden, die die Wappenführung einer bestimmten Familie weit in die Vergangenheit verlegen, gibt es verschiedene Beispiele. In einem Wappenstreit in England des 15. Jh. behauptete eine der Streitparteien, dass ihr Wappen von König Arthur verliehen wurde.

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
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Rheinländer_
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Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Rheinländer_ » 01.09.2020, 09:01

Da ich das Thema als sehr spannend empfinde, habe ich, falls gestattet, bei der Gelegenheit auch eine Frage zum Thema Wappenmerken im Schlachtgetümmel:
Gab es in damaliger Zeit keinen "Fähnrich", der die Haufen/Gruppen zusammenhielt und gelenkt hat. So hätten sich die verschiedenen Gruppierungen ja nur auf einige wenige Fahnen (Kennzeichen/Wappen) konzentrieren müssen. Oder kam diese Vorgehensweise erst viel später zum Einsatz?
Zuletzt geändert von Rheinländer_ am 01.09.2020, 09:48, insgesamt 1-mal geändert.

Frank Martinoff

Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Frank Martinoff » 01.09.2020, 09:15

Dirk, wäre da nicht "Corbie" im Norden
und "Corbiere" im Süden :idea:

Frank Martinoff

Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Frank Martinoff » 01.09.2020, 09:22

Dirk, wäre da nicht "Corbie" im Norden
und "Corbiere" weit im Süden :idea:
und

"Castrum Carboneria" :!: :?: :!:

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Jochen
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Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Jochen » 01.09.2020, 10:17

Frank Martinoff hat geschrieben:
01.09.2020, 09:22
Dirk, wäre da nicht "Corbie" im Norden
und "Corbiere" weit im Süden :idea:
und

"Castrum Carboneria" :!: :?: :!:
Bitte Frank, greifbare Belege und keine blanken Worte.
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jochen

Frank Martinoff

Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Frank Martinoff » 01.09.2020, 10:25

... habe ich doch schon ×-mal durchgekaut,
...
aber noch keinen Link zu Corbie
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Corbie
...
hatte auch schon das Wappen an der Nord-Küste
von Frankreich gefunden, nur finde ich den Link nicht mehr ... ist Jahre her!

Frank Martinoff

Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Frank Martinoff » 01.09.2020, 10:41

... übrigens hatten die Nachfahren der Engländer, das Wappen später wieder auf einen Corbeau
zurückgesetzt....
und da ist noch dieses..

https://www.armorial.org/produit/13126/ ... -caus.html

Frank Martinoff

Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Frank Martinoff » 01.09.2020, 10:44

https://commons.m.wikimedia.org/wiki/Fi ... etArms.JPG

:arrow:
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Corbet_family

...
übrigens hatten die den Wikiartikel, auf der Basis meiner Nachforschung geändert bzw. ergenzt
(ist aber sehr unschön gemacht, mit Bruchstücken zusammengerupft z.B. heißt die Familie Corvini)

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Jochen
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Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Jochen » 01.09.2020, 11:07

Das ist doch alles bestenfalls Tertiärliteratur aus späteren Jahrhunderten.

Kannst Du denn keine zeitgenössischen Quellen vorlegen ?
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jochen

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Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Tejas552 » 01.09.2020, 11:09

Frank Martinoff hat geschrieben:
01.09.2020, 10:44
https://commons.m.wikimedia.org/wiki/Fi ... etArms.JPG

:arrow:
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Corbet_family

...
übrigens hatten die den Wikiartikel, auf der Basis meiner Nachforschung geändert bzw. ergenzt
(ist aber sehr unschön gemacht, z.B. heißt die Familie Corvini)

Ich denke es ist durchaus möglich, dass sich eine einzelne Familie names "Rabe" schon in vorheraldischer Zeit mit dem Symbol des Rabens identifiziert hat und dies vielleicht durch ein entsprechendes Banner zum Ausdruck brachte. Belege dafür habe ich aber in den Links von Frank nicht erkennen können.

Im Grunde spielt das aber auch keine Rolle. Thorsten geht es um die Heraldik als solches und deren Entstehung lässt sich m. E. in die Zeit zwischen 1066 und 1146 datieren. Die Heraldik begann auch nicht mit Familien niederen Adels wie den Corbies, sondern beim Hochadel. Ich würde sagen, dieser hat im Laufe der ersten Hälfte des 12 Jh. damit begonnen Familienwappen zu etablieren. Der niedere Adel folgte dann dem Beispiel ab der zweiten Hälfte des 12 Jh.

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk

Frank Martinoff

Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Frank Martinoff » 01.09.2020, 11:12

... ist nicht heutzutage alles so,
ich müßte zugriff zu den Archiven haben
...
dass sie das Wappen zurückgesetzt haben ist historisch belegt in England, da ich das über Jahre schon mehrmals "international" zur Diskussion gestellt hatte :idea:

...
hier noch zur Erinnerung :!:
Bild

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Tejas552
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Re: Entstehung des Wappenwesens

Beitrag von Tejas552 » 01.09.2020, 11:26

Rheinländer_ hat geschrieben:
01.09.2020, 09:01
Da ich das Thema als sehr spannend empfinde, habe ich, falls gestattet, bei der Gelegenheit auch eine Frage zum Thema Wappenmerken im Schlachtgetümmel:
Gab es in damaliger Zeit keinen "Fähnrich", der die Haufen/Gruppen zusammenhielt und gelenkt hat. So hätten sich die verschiedenen Gruppierungen ja nur auf einige wenige Fahnen (Kennzeichen/Wappen) konzentrieren müssen. Oder kam diese Vorgehensweise erst viel später zum Einsatz?
Ja die gab es. Der Fähnrich war einer der wichtigsten Männer auf dem Schlachtfeld. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, war das Amt des Fähnrichs, d.h. des Reichssturmfähnrichs hoch angesehen (und hoch gefährlich). Es war für einige Generationen in der Familie der Grafen von Grüningen erblich. Der Graf von Grüningen trug in der Schlacht die Reichssturmfahne (Reichsrennbanner) und führte damit den Vorstreit an. Das Vorstreitrecht war das Recht den ersten Angriff in der Schlacht zu führen. Damit waren grossen Gefahren aber auch grosse Ehren verbunden.

Neben der Reichssturmfahne gab es noch andere Banner auf dem Schlachtfeld, wie die Reiterstandarte des Kaisers, das Reichsbanner usw.

https://de.wikipedia.org/wiki/Reichssturmfahne

Wenn das eigene Banner fiel konnte dies das Signal zur Flucht sein. In der Schlacht von Tannenberg sollen die Ritter des Eidechsenbundes durch das Senken ihres Banners ihren Verrat am Orden angezeigt haben. D.h. durch das Senken des Banners zeigten sie an, dass sie nicht für den Orden in den Kampf ziehen würden. Als in einer frühen Phase der Schlacht das Banner des polnischen Königs fiel, stimmten die Ordensbrüder, der Überlieferung nach, ihre Siegeshymne "Christ ist erstanden" an.

Gruss
Dirk
Zuletzt geändert von Tejas552 am 01.09.2020, 11:35, insgesamt 1-mal geändert.
Beste Grüsse
Dirk


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