Claus J.Billet hat geschrieben: ↑08.07.2020, 09:57
Zitat :
"... Mit der Zeit haben sich aber die Elemente verschiedener Helme in der Heraldik vereinigt. Atem- und Halterungslöcher (Kreuze) von Kübelhelmen wurden auf Stechhelme übertragen weil sie für Abwechselung
(und bessere Lüftung !) sorgen. Dann beeinflusste die Form der neueren Armet-Visierhelme die Art und Weise wie Stechhelme dargestellt werden. "
Exakt diesen Umstand spreche ich an.
Die Praxis in der Nutzung zeigt auf, daß bei mangelhafter
Lüftung des Helms, der Träger ernsthafte Atem-Probleme bekommt.
Körperliche Anstrengung, Schweiß, gegebenfalls Hitze, stellen ernsthafte Probleme
für den Helm-Träger dar.
(durch Selbstversuch ermittelt )
Wenn schon das Tragen einer einfachen Stoffmaske
(Corona) Probleme aufwirft,
wieviel schwieriger ist dies mit einem geschlossenem Helm.
Beim grossen deutschen Stechhelm (Krötenkopfhelm, Helm zum hohen Zeug) bereitet die Lüftung kein Problem. Nur von vorne und von der Seite sieht der Schlitz schmal aus. Tatsächlich ist der Schlitz sehr weit nach oben geöffnet. Zudem wurde der Helm immer nur für wenige Minuten während des eigentlichen Stechens getragen. Beim Anritt neigte sich der Reiter nach vorn und konnte so den Gegner sehen. Vor dem Aufprall der Lanzen neigte er sich nach hinten, so dass der Sehschlitz komplett nach oben gerichtet war. Der Reiter war in diesem Moment blind. Sein Kopf war aber durch diese Technik vor der gegnerischen Lanze gut geschützt.
Der Stahl ist ungeheuer dick und der Helm konnte nur getragen werden, weil er nicht auf dem Kopf, sondern auf den Schultern sass. Im Gegensatz zu den welschen Stechhelmen und den Armet-Visierhelmen, die auf dem Kopf sassen. Der dicke Stahl schützte den Reiter hervorragend. An historischen Exemplaren kann man oft die Spuren sehen, die die Lanzen hinterlassen haben. Fatal wäre es gewesen, diesen Schutz durch Atemlöcher so kompromittieren, die man sowieso nicht brauchte.
Die Atemlöcher brauchte man vor allem an Kriegshelmen, die zum Feldharnisch getragen wurden. Diese Helme konnten über längere Zeit hinweg getragen werden. Die Luftlöcher ermöglichten den Sauerstoffaustausch auch bei geschlossenem Visier. Im Burgkmair Turnierbuch sind verschiedene Turnierformen und Ausrüstungen dargestellt
https://wiktenauer.com/wiki/Burgkmair_Turnierbuch
Man sieht welsche Stechturniere, die mit Visierhelmen ausgetragen werden. Dies sind praktisch Armet-Helme, die fürs Turnier getragen wurden. In der deutschen Heraldik haben sie keinen Platz.
Dann sieht man deutsches Stechzeug, samt Krötenkopfhelm, also den eigentlichen deutschen heraldischen Stechhelm.
Weiter unten kommt dann noch sogenanntes Rennzeug, mit Rennhauben. Rennhauben sind Adaptionen sogenannter Schaller (Sallet) die im Krieg getragen wurden. Rennhauben und Schaller werden in der Heraldik in der Regel auch nicht verwendet.
Die Unterschiedlichen Turniere hatten unterschiedliche Ziele. Beim "Rennen" ging es meistens darum die gegnerische Tartsche zu treffen. Diese war manchmal mit einer Technik ausgestattet, so dass sie bei gelungenem Treffer in mehrere Teile zerbarst.
Beim welschen Stechen ging es meistens darum den Gegner aus dem Sattel zu heben
Im Burgkmair-Buch heisst es dort "Das welsch Rennen..." Die englische Übersetzung spricht von "Italian jousting". Hier sieht man den welschen Stechhelm mit Visier. Dieser Helm hat offenbar die deutsche Heraldik beeinflusst, obwohl Visierhelme dort eigentlich keinen Platz haben.
Beim deutschen Stechen war es das Ziel die Lanze zu brechen. Dazu musste die Lanze mit voller Wucht auf den Helm des Gegners aufprallen. Diese Form des Turniers erforderte daher einen besonders starken Helm, der möglichst keine Schwachstellen wie Atemlöcher aufwies.
Bei Burgkmair heisst es:
"Das altteutsch Gestech im hohen Zeug brechen die Stang"
Der Helm zum "hohen Zeug" ist der eigentliche Stechhelm, wie er in der deutschen Heraldik verwendet wird. Dieser Helm zum "hohen Zeug" hat keine Atemlöcher.
Gruss
Dirk