Vorstellung und eine etwas komplexe Frage

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kleinermünsterländer
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Vorstellung und eine etwas komplexe Frage

Beitrag von kleinermünsterländer » 19.07.2019, 13:12

Hallo in die Runde!

Ich bin durch die Diskussion mit einem freundlichen, hilfsbereiten und kompetenten Mitmenschen auf dieses Forum gestoßen. Die Fragen, die ich habe, haben sich eigentlich erst während dieser Diskussion ergeben. Mein Schwerpunkt liegt eigentlich mehr bei Familienforschung.

Ich bin Mitglied einer bürgerlichen Familie, welche sich bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen läßt. Es gibt zwar auch noch frühere Erwähnungen, aber da ist die Zuordnung unsicher. Also vergessen wir die mal. Auch die Stammreihe vom Ende des 14. Jahrhunderts bis heute ist zwischendurch, von Mitte des 15. Jahrhunderts bis Mitte des 16. Jahrhunderts, unterbrochen, zumindest wenn man konventionelle genealogische Maßstäbe anlegt, also eine eindeutige Filiation. Da die ersten Namensträger im Rahmen einer Belehnung auftreten, ist aber zu 100% sicher, daß die nachfolgenden Namensträger, zumindest diejenigen, die zum Lehnsverband gehörten, in direkter männlicher Linie von den Erstbelehnten abstammen. Die Definition eines erblichen Mannlehens läßt keinen anderen Schluß zu. Ein Wappen hat die Familie nicht geführt, jedenfalls keine der heute noch blühenden Linien.

Nun kam in den 1930er Jahren ein Verwandter auf die Idee, ein Wappen zu stiften. Er beauftragte den bekannten Heraldiker Dr. Bernhard Koerner, dessen politische und weltanschauliche Ansichten man sicherlich nicht teilen muß, der aber seinerzeit auf heraldischem Gebiet ein Experte gewesen zu sein schien, mit dem Entwurf eines Wappens. Dieses Wappen wurde dann auch offiziell registriert. Von der Familie wird dieses Wappen jedoch weitgehend ignoriert. Das hat verschiedene Gründe, auf die ich hier nicht detailliert eingehen möchte. Ein großes Manko dieses Wappens ist die Symbolik. Es ist als redendes Wappen entworfen worden, wobei der dargestellte Gegenstand erstens nur ganz am Rande klingt wie mein Familienname, er zweitens etymologisch mit dem Familiennamen gar nichts zu tun hat und drittens auch in der Sache so überhaupt nicht zu dem paßt, was die Familie über Jahrhunderte betrieben hat.

Zudem hat der Wappenstifter nur die Abkömmlinge einer zu Beginn des 18. Jahrhunderts geborenen Person, selbstverständlich soweit sie Träger des Familiennamens sind, dazu berechtigt, dieses Wappen zu führen. Das ist sicherlich sein gutes Recht, aber im Verlaufe der oben erwähnten Diskussion stellte ich mir natürlich die Frage, aus welchem Grunde mein Verwandter dies entschieden hat. Er hätte durchaus noch einige Generationen zurückgehen können. Als Genealoge hat er natürlich von weiteren Generationen gewußt. Er hat dieses Wissen ja auch publiziert. Grundsätzlich gehören die Abkömmlinge der weiter zurückliegenden Vorfahren ja ebenso zur Familie wie der Wappenstifter oder ich. Ich fand die Antwort bei der Lektüre seiner Familiengeschichte: die Kinder des Bruders des Mannes, dessen Nachkommen zur Führung des Wappens berechtigt sind, haben, so mein Verwandter größtenteils "unter ihrem Stand geheiratet". Da ist mir zunächst die Spucke weggeblieben. Ich weiß nicht, wen sie genau geheiratet haben, aber offenbar fand mein Verwandter die Ehefrauen und die Abkömmlinge nicht passend genug, dieses neue Wappen führen zu dürfen. Als Nebeneffekt hat der Wappenstifter aber andere, alte Linien ausgeschlossen, die sich in noch älteren Zeiten abgespalten haben (oder wir von ihnen), und die sehr wohl in das standesdünkelige Bild des Wappenstifters passen. Aber da wird in der Familie hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, warum der Wappenstifter die alten Linien nicht dabeihaben wollte. Es ging angeblich um irgendwelche Frauengeschichten und die daraus resultierenden Animositäten.

Ich habe das Gefühl, daß die Zusammengehörigkeit der gesamten Familie ganz gut durch ein Wappen dokumentiert werden würde, welches sämtliche namentragenden Abkömmlinge möglichst früher Vorfahren rechtmäßig führen dürften. Diese Erkenntnis ist mir innerhalb der letzten Tage gekommen, angeregt auch durch besagte Diskussion. Bisher habe ich nie konkret über dieses Thema nachgedacht. Wie könnte man das Problem lösen? Ein neues Wappen stiften? Wäre das überhaupt zulässig? Ein Teil der zur Führung berechtigten Personen, so auch ich, finden sich ja schon unter dem bestehenden Wappen wieder (was zwar kaum jemand von uns ernstnimmt, aber egal, es existiert ja nun einmal). Wie sieht die rechtliche Situation aus?

Über jeden hilfreichen Beitrag freue ich mich! Und dann kommen noch viel mehr Fragen nach...

P.S.Ich bitte um Verständnis, daß ich den Familiennamen und das Wappen im Moment nicht preisgeben möchte. Es würde ja in der Sache auch zu nichts führen, wenn ich damit herausrücken würde.
Zuletzt geändert von kleinermünsterländer am 19.07.2019, 19:19, insgesamt 1-mal geändert.

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Gerd
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Re: Vorstellung und eine etwas komplexe Frage

Beitrag von Gerd » 19.07.2019, 17:57

Hallo und Willkommen im Forum!

Du kannst ohne Bedenken ein neues Wappen stiften dessen Führungsberechtigung von dir auf einen Vorfahren und dessen Nachkommen festgelegt werden kann den du bestimmst. Es kann also auch ein Vorfahre sein der noch viel früher gelebt hat und zu dem ein lückenloser Nachweis in der Stammfolge besteht. Damit erreicht man auch einen größeren Kreis der Führungsberechtigten. Dabei kann ein Wappen entworfen werden mit dem sich die Familienmitglieder auch identifizieren können.

Wen dazu Interesse besteht kann das auch mit Hilfe von unserer Seite hier im Forum geschehen. Es wäre nicht das erste Familienwappen das hier in gemeinsamer Arbeit entsteht.
Mit besten Grüssen
Gerd
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kleinermünsterländer
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Re: Vorstellung und eine etwas komplexe Frage

Beitrag von kleinermünsterländer » 19.07.2019, 19:13

Hallo Gerd,

vielen Dank für das Willkommen und die Antwort.

Ich weiß noch gar nicht, ob ich ein neues Wappen stiften will. Das würde ich auch gar nicht alleine entscheiden, sondern mit dem "Ältestenrat" besprechen wollen. Schließlich soll ein möglichst breiter Konsens gefunden werden. Auch, falls es denn so kommen sollte, bezüglich der Gestaltung.

Zum Begriff der Stammfolge eine Frage: laut Wikipedia versteht man unter einer Stammfolge die Abstammungslinie vom Vater auf den (ehelichen) Sohn. Das ist common sense. Wie leben aber im Jahre 2019 und selbst ein so konservativer alter Knochen wie ich hat erkannt, daß nichts mehr ist wie es war. So hat eine weitläufig entfernte Kusine bei der Hochzeit ihren Geburtsnamen behalten, was ich als genealogisch interessierter Mensch grundsätzlich nicht gut finde, aber meine persönliche Meinung hierzu steht hier nicht zur Debatte. Ihr Mann hat den Namen seiner Frau angenommen und heißt nun so wie sie (und wie ich). Die Söhne ebenso. Nach der Definition von Wikipedia gehören Ehemann und Söhne, obgleich sie den Namen meiner Familie tragen, eigentlich nicht dazu, denn sie finden sich nicht in dieser Stammreihe. De facto sind sie aber geschätzte Mitglieder der Familie und wer wollte ihnen also verwehren, das Wappen zu führen, das ihren Namen trägt? Verstehst Du, was ich sagen will?

Der historische Adel sagt, und das vollkommen zu Recht, daß derjenige "dazugehört", der von einem adeligen Vater ehelich abstammt. Also genau das Stammfolgenprinzip. Damit soll verhindert werden, daß der Zugang zum Adel jedem offen steht, der mit Rückendeckung des aktuell gültigen Namensrechts eine adelige Frau heiratet und deren Familiennamen annimmt. Alles vollkommen richtig und nachvollziehbar. Aber meine Familie gehört nicht zum historischen Adel und man ist sich trotz einer eher konservativen Grundhaltung der meisten Mitglieder weitgehend darüber einig, daß man sich mit der modernen Zeit irgendwie arrangieren und solche Entscheidungen, wie sie meine Kusine getroffen hat, insofern akzeptieren muß, als damit kein Ausschluß aus der Familie erfolgt bzw. der zugeheiratete Ehemann und die Kinder echte Mitglieder der Familie geworden sind. Doch wie ist das nun wappenrechtlich zu betrachten? Ich zitiere mal aus einer Familienchronik das, was unter dem Wappen zu lesen ist, welches mein Verwandter in den 1930ern gestiftet hat: "Die Berechtigung das Wappen zu führen, haben alle Nachkommen von xyz, soweit sie Träger des Namens z sind." Genaugenommen steht da nichts von einer Stammfolge. Wenn man das heute ebenso formulieren würde, wäre zwar nicht der Ehemann meiner Kusine berechtigt, das Wappen seiner Frau zu führen, denn er ist kein Nachkomme von xyz, sehr wohl aber die gemeinsamen Kinder, die zwar nicht zur Stammfolge gehören, aber sowohl Nachkommen von xyz, als auch Träger des Namens z sind. Die Sache ist recht kompliziert, wie ich finde. Wie sehen das die heraldischen Vereine? Hält man strikt am Prinzip der Stammfolge fest? Ist man mit der Zeit gegangen?

Ich hoffe, meine Fragen sind nicht zu "blöd"....

Es grüßt der kleinemünsterländer

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Gerd
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Re: Vorstellung und eine etwas komplexe Frage

Beitrag von Gerd » 19.07.2019, 19:30

Ich habe schon verstanden was du meinst. Die heutigen Vereine haben sich auch den neuen Gegebenheiten angepasst und sehen das so dass das Wappen in der Blutlinie im Namensstamm weitergegeben werden kann. Also solange der Name geführt wird und die Person in direkter Linie vom Führungsberechtigten abstammt darf er bzw. sie das Wappen führen. Beim Heraldischen Verein "Zum Kleeblatt" wird das schön an einer Übersicht erläutert.

http://www.zum-kleeblatt.de/namensstamm.html

Im übrigen muss ich dazu mal angeben, dass ich bisher noch keinen historischen Wappenbrief gesehen habe wo nur die männl. Nachfahren zum führen des Wappens berechtigt sind. Dort wird immer angegeben das alle ehelichen Nachkommen des XY dazu berechtigt sind. Das die weiblichen Nachfahren das nicht weitergeben konnten lag einfach daran, dass bei einer Heirat immer der Name des Mannes weitergeführt wurde und damit das Wappen der Mutter nicht auf die Kinder übergehen konnte.
Mit besten Grüssen
Gerd
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Re: Vorstellung und eine etwas komplexe Frage

Beitrag von Duppauer1 » 19.07.2019, 23:17

Hallo kleinmünsterländer,
auch von mir ein herzliches Willkommen hier im Forum !
Gerd hat ja schon auf die sehr informative Seite der Vereins "Zum Kleeblatt" in Bezug zum Wappenführungsrecht und Namensrecht hingewiesen!

Es gibt bei den Heraldikern ein einfaches Sprichwort!
"Name weg = Wappen weg"
Das Wappen ist also immer an den Namen gebunden.
Und das ist auch heute noch so,in gewisser Hinsicht auf das aktuelle Namensrecht.
Die Tocher eines Herrn "XY" darf solange sie nicht verheiratet ist das Wappen ihres Vaters "XY" weiter führen. Das war schon immer so !
Heiratet sie jedoch und nimmt den Namen ihres Mannes "ABC" an verliert sie die Führungsberechtigung an dem Wappen "XY" . Name weg = Wappen weg!
Führt die Tocher aber den Namen "XY," nach heutigen Namensrecht, nach der Heirat im Doppelnamen weiter, z.B " XY-ABC" besteht für sie und deren Nachkommen, solange sie den Namen "XY" im Namen weiterfühern, das Wappenführungsrecht nach heutiger Sicht weiter fort.
Die Niedersächsische Wappenrolle, dessen Träger der Verein "Zum Kleblatt" ist verwendet deshalb, in der Anpassung an das Namensrecht heute folgende Formulierung bei der Wappenführung in den Wappenbriefen.
„Führungsberechtigt sind neben dem Wappenstifter seine Nachkommen, soweit und solange sie noch den direkt weitergegebenen Familiennamen des Wappenstifters, auch als Teil eines Doppelnamens, führen.“
http://www.wappenkunde-niedersachsen.de ... recht.html
Bild Das gute Gelingen ist zwar nichts Kleines, fängt aber mit Kleinigkeiten an. (Sokrates)

Herzliche Grüße
Dieter

kleinermünsterländer
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Re: Vorstellung und eine etwas komplexe Frage

Beitrag von kleinermünsterländer » 20.07.2019, 00:54

Hallo Dieter,

vielen Dank für den Link zum Kleeblatt. Sehr interessant!

"Ein Wappenstifter kann die Führungsberechtigung auf einen namensgleichen Vorfahren und dessen Nachkommen ausdehnen, soweit und solange sie den Familiennamen des Wappenstifters führen.

Hierzu dehnt der Wappenstifter die Führungsberechtigung auf einen namensgleichen Vorfahren (sog. Stammahn) und dessen namensgleiche Nachkommen aus."


Hierzu mal eine Frage: was ist, wenn sich in der Vergangenheit die Schreibweise des Familiennamens verändert hat? So etwas ist ja nicht selten. Im Namen meiner Familie beispielsweise kam vor Jahrhunderten ein "o" vor, welches im Laufe der Zeit zu einem "ö" wurde. Bei einem Zweig wurde dieses "ö" zu einem "oe" weil, so meine ich mich der Erzählungen zu erinnern, ein Vorfahr Offizier in der preußischen Armee war. Somit existieren mehrere Schreibweisen eines Namens nebeneinander. Ist damit noch die Namensgleichheit gegeben?

Es grüßt der kleinemünsterländer

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Duppauer1
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Re: Vorstellung und eine etwas komplexe Frage

Beitrag von Duppauer1 » 20.07.2019, 08:50

Hallo kleinmünsterländer,
ja die Namensgleichheit besteht in solch einen Fall weiter fort!
Hauptsache die genealogische Stammfolge ist gesichert.
"Ein Wappenstifter kann die Führungsberechtigung auf einen namensgleichen Vorfahren und dessen Nachkommen ausdehnen, soweit und solange sie den Familiennamen des Wappenstifters führen.

Hierzu dehnt der Wappenstifter die Führungsberechtigung auf einen namensgleichen Vorfahren (sog. Stammahn) und dessen namensgleiche Nachkommen aus."
Hier ist immer von dem Wappenstifter die Rede! Also wie die Führungsberechtigung bei einem neu gestifteten Wappen erfolgen kann.

Wenn der Wappenstifter aber schon verstorben ist und mann will die Führungsberechtigung im nachhinein auf namensgleiche Vorfahren weiter ausdehnen, müsste dazu der ganze Familienverband zustimmen.

Aber ich gebe hier keine rechtliche Beratung ab, das kann ich nicht, ich bin kein Jurist!

Einfach mal an den Verein "Zum Kleeblat" eine E-mail mit der Fragestellung senden. Die helfen dort gern! :)
Bild Das gute Gelingen ist zwar nichts Kleines, fängt aber mit Kleinigkeiten an. (Sokrates)

Herzliche Grüße
Dieter

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Re: Vorstellung und eine etwas komplexe Frage

Beitrag von kleinermünsterländer » 21.07.2019, 16:23

Hallo Dieter, vielen Dank für die Antworten!
Duppauer1 hat geschrieben:
20.07.2019, 08:50
Hauptsache die genealogische Stammfolge ist gesichert.
Ich habe das jetzt also so verstanden, daß mit der Stammfolge der Namensstamm gemeint ist, weil die früher übliche Beschränkung auf den Mannesstamm den Juristen unter den Genealogen zu viel Sprengstoff birgt.

Wie erfolgt die "Beweisführung" bei der Stammfolge eigentlich?
Duppauer1 hat geschrieben:
20.07.2019, 08:50
Einfach mal an den Verein "Zum Kleeblat" eine E-mail mit der Fragestellung senden. Die helfen dort gern! :)
Das werde ich zu gegebener Zeit auch tun. Ich möchte aber erst an einen heraldischen Verein herantreten, wenn ich das Okay der Familienhäuptlinge habe, wenn die Sache also konkreter wird. Und um die zu überzeugen, wäre es nicht schlecht, wenn ich denen mit einigermaßen belastbaren Aussagen komme und ihre Fragen einigermaßen souverän beantworten kann. Aus diesem Grunde habe ich mich in diesem Forum angemeldet.

In diesem Sinne wünsche ich einen sonnigen Sonntag! :D

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