Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

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Lemireyha
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Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von Lemireyha » 15.12.2017, 02:10

Schönen guten Abend in die Runde!
Ich habe aus Recherchegründen eine Frage zu der Weitergabe/Vererbung von Wappen im 16. Jahrhundert in England; vielleicht kann mir jemand dabei helfen. Ich fürchte, die Frage ist etwas zu speziell, sodass ich hier im Forum (sonst bitte ein Hinweis, wenn ich etwas übersehen haben sollte!) und in meiner Literatur leider bisher nichts Konkretes gefunden habe...

Genauer geht es um das Wappen englischer Ritter im 16. Jahrhundert.
Was mich interessieren würde, wäre, ob es so etwas wie das klassische "Familienwappen" gab, das über mehrere Generationen und von allen Mitgliedern (Vater, Söhnen usw.) geführt werden konnte und sich erst im Einzelfall (etwa durch den Erhalt eines Ritterschlags) lediglich im Detail änderte (wie etwa durch eine andere Helmform o.Ä.)?

--> Wenn z.B. der Sohn eines Ritters selbst einen Ritterschlag erhielt, bekam dieser somit ein eigenständiges Wappen oder führte er dasselbe Wappen wie sein Vater? Und wie würde die Lage aussehen, wenn der Sohn keinen Titel erhalten würde?

Ich hoffe, ich frage nicht zu viel auf einmal :wink: , aber es wäre mir eine sehr große Hilfe, wenn jemand darauf eine konkrete Antwort wüsste!

Danke und einen schönen Abend!
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Markus
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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von Markus » 15.12.2017, 13:29

Ohne mich wirklich im Detail auszukennen, aber die englische Heraldik zeichnet sich m. W. durch ein ausgeklügeltes System von Beizeichen aus, besonders häufig zu sehen ist da der Turnierlatz oder -Kragen, der wiederum mit Symbolen belegt werden kann; d. h. es gibt ein unveränderliches Stammwappen, dass mit unterschiedlichen Beizeichen belegt wird. Es mag aber noch andere Systeme geben.
Heraldische Grüße
Markus

Vollwappen im Wappenindex Greve:
https://www.familie-greve.de/wappeneint ... &wid=72488

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Tejas552
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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von Tejas552 » 15.12.2017, 14:13

Grundsätzlich werden und wurden Wappen in England über die männliche Linie weitergegeben. Für Töchter gab es die Möglichkeit der Wappenkombination (Marshalling), also der Kombination des väterlichen Wappen mit jenem des Ehemannes.

Für die Söhne gibt es das "system of cadency", dass die Erbfolge durch Zeichen (brisures) anzeigt. Der Erbe ersten Ranges, also derjenige der den Titel erbt, führte das väterliche Wappen mit einem "Lapel" (Turnierkragen). Dies kann man z.B. im Wappen von Prince William sehen. Die nächste "brisure of cadency" ist der Halbmond. Dann geht es weiter bis zur "ninth brisure of cadency" dem Octofoil (einer Art Blüte).

Wenn nun der Erbe ersten Ranges das Erbe antritt, d.h. wenn der Vater gestorben ist und sein Sohn den Titel übernimmt, dann entfällt der Turnierkragen, der dann auf einen allfälligen Sohn des Erben übergeht usw.

Gruss
Dirk
Zuletzt geändert von Tejas552 am 15.12.2017, 16:07, insgesamt 2-mal geändert.
Beste Grüsse
Dirk

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Jochen
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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von Jochen » 15.12.2017, 14:37

Wenn der Vater ein Knight ist, der Sohn aber nicht, führt der Vater einen Visierhelm, der Sohn aber einen Stechhelm (und das Beizeichen seiner Position in der Erbfolge, wie meine Vorredner schon ausgeführt haben).

Wird der Sohn selbst geknightet, dann erhält auch er das Recht, den höherrangigen Helm zu führen.

Wir reden jetzt allerdings von der Gegenwart. Ob die Helmregelung im 16.Jhdt. in dieser Form bereits so gehandhabt wurde, müßte man überprüfen.
Ne suy plus vil que les aultres

jochen

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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von Tejas552 » 15.12.2017, 15:13

Das Royal College of Arms hat sogar schon die Wappenführung bei gleichgeschlechtlichen Ehen geregelt. Die Engländer sind uns echt einen Schritt voraus.

http://www.college-of-arms.gov.uk/resou ... -marriages

Interessant sind auch die Fälle des Court of Chivalry. Vielfach ging es wohl darum, wer das Recht auf ein besonders schlichtes Wappen hatte, also ein Wappen mit wenigen Symbolen und ohne "brisures", da diese als alte Stammwappen einen besonders hohen Rang signalisieren konnten.
Von 1385 bis 1390 wurde der Fall von Sir Richard le Scrope verhandelt, der einen Anspruch auf das sehr schlichte Wappen "azure a bend or", (in blau ein goldener Schrägbalken)" erhob.

Im Gegensatz zur heutigen Praxis, bei der Stifter häufig bemüht sind ihre Namen, Familiengeschichte, Berufe, Hobbies, Haustiere und sonstige Vorlieben, durch eine möglichst grosse Zahl an Symbolen im Wappen zu verewigen, stritt sich der englische Adel im Mittelalter offenbar bevorzugt um das Wappen mit den wenigsten Symbolen.

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
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Englische Wappen, 16. Jahrhundert

Beitrag von Joachim v. Roy » 15.12.2017, 17:08

Die mir vorliegende „Heraldic Scroll of England and Wales“ (extracted from Burke's GENERAL ARMORY,
1 8 8 4) weist mehrere Hundert Wappenschilde auf, welche ich als „klassische Familienwappen“ bezeichnen würde. Welche dieser Wappen bereits im 16. Jahrhundert existierten, vermag ich nicht
zu erkennen und wäre im Einzelfall zu prüfen.

Freundliche Grüße vom Rhein

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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von Lemireyha » 15.12.2017, 18:24

Super, vielen Dank schon mal für die fixen Antworten, das hilft mir enorm! :D
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Tejas552
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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von Tejas552 » 08.01.2018, 09:17

Tejas552 hat geschrieben:Das Royal College of Arms hat sogar schon die Wappenführung bei gleichgeschlechtlichen Ehen geregelt. Die Engländer sind uns echt einen Schritt voraus.

http://www.college-of-arms.gov.uk/resou ... -marriages

Interessant sind auch die Fälle des Court of Chivalry. Vielfach ging es wohl darum, wer das Recht auf ein besonders schlichtes Wappen hatte, also ein Wappen mit wenigen Symbolen und ohne "brisures", da diese als alte Stammwappen einen besonders hohen Rang signalisieren konnten.
Von 1385 bis 1390 wurde der Fall von Sir Richard le Scrope verhandelt, der einen Anspruch auf das sehr schlichte Wappen "azure a bend or", (in blau ein goldener Schrägbalken)" erhob.

Im Gegensatz zur heutigen Praxis, bei der Stifter häufig bemüht sind ihre Namen, Familiengeschichte, Berufe, Hobbies, Haustiere und sonstige Vorlieben, durch eine möglichst grosse Zahl an Symbolen im Wappen zu verewigen, stritt sich der englische Adel im Mittelalter offenbar bevorzugt um das Wappen mit den wenigsten Symbolen.

Gruss
Dirk

Ich habe zur obigen Nachricht noch eine kleine Ergänzung. Ich schaue gern die britische TV Serie "Fake or Fortune". Darin versucht ein Team die Echtheit von Kunstwerken zu nachzuweisen, bzw. sie als Fälschung zu entlarven. Einer der Teammitglieder heisst Bendor Grosvenor. Der obengenannte Fall von 1385 bis 1390 in dem Sir Richard le Scrope einen Anspruch auf das schlichte Wappen "azure a bend or", (in blau ein goldener Schrägbalken)" erhob, richtete sich gegen die Grosvenor-Familie. Bei den Grosvenors wurde das Wappen, bzw. der Blason zunächst zum Spitznamen und dann zum Personennamen "Bendor" also "bend or". Ziemlich kurios was?

Gruss
Dirk
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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von HFRudolph » 07.11.2018, 18:38

Tejas552 hat geschrieben:Das Royal College of Arms hat sogar schon die Wappenführung bei gleichgeschlechtlichen Ehen geregelt. Die Engländer sind uns echt einen Schritt voraus.
Ja! Art. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention:
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Ja?

Nur, war da nicht etwas mit dem College of arms? Das untersteht - glaube ich, da mag ich mich irren - keinem Ministerium, sondern der Monarchin, die [ironie]so gleich an Würde und Rechten geboren wurde, dass sie auch ein College of arms haben darf[/ironie]. So wie jeder andere Engländer auch, der dann ebenfalls die Wappenführungsrechte gleichgeschlechlicher Ehen regeln kann und Wappenrechte verleihen und so weiter. Kurz: Die Monarchin tut gut daran, den Focus in Bezug auf Menschenrechte und Gleichberechtigung nicht auf sich selbst fallen zu lassen. Wobei ich mich mit englischem Recht gar nicht auskenne…

Einmal ganz abgesehen davon, dass nicht einmal die Frauen den Männern gleichberechtigt sind, sondern andere Wappen führen müssen - was vom Prinzip her keine Diskriminierung sein soll, aber faktisch ist, der Männer gegenüber den Frauen und umgekehrt und der Queen gegenüber dem aufrechten Bürger.

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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von Tejas552 » 08.11.2018, 11:04

HFRudolph hat geschrieben:
07.11.2018, 18:38
Tejas552 hat geschrieben:Das Royal College of Arms hat sogar schon die Wappenführung bei gleichgeschlechtlichen Ehen geregelt. Die Engländer sind uns echt einen Schritt voraus.
Ja! Art. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention:
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Ja?

Nur, war da nicht etwas mit dem College of arms? Das untersteht - glaube ich, da mag ich mich irren - keinem Ministerium, sondern der Monarchin, die [ironie]so gleich an Würde und Rechten geboren wurde, dass sie auch ein College of arms haben darf[/ironie]. So wie jeder andere Engländer auch, der dann ebenfalls die Wappenführungsrechte gleichgeschlechlicher Ehen regeln kann und Wappenrechte verleihen und so weiter. Kurz: Die Monarchin tut gut daran, den Focus in Bezug auf Menschenrechte und Gleichberechtigung nicht auf sich selbst fallen zu lassen. Wobei ich mich mit englischem Recht gar nicht auskenne…

Einmal ganz abgesehen davon, dass nicht einmal die Frauen den Männern gleichberechtigt sind, sondern andere Wappen führen müssen - was vom Prinzip her keine Diskriminierung sein soll, aber faktisch ist, der Männer gegenüber den Frauen und umgekehrt und der Queen gegenüber dem aufrechten Bürger.
Eine "faktische" Diskriminierung kann ich hier nicht erkennen. Niemand ist gezwungen ein Wappen zu führen. Wenn eine Dame kein Damenwappen - und ein Herr kein Herrenwappen - möchte, dann können sie diesem Wunsch nachgehen indem sie überhaupt kein Wappen führen. Unsere Wappenrollen verwehren auch die Eintragung von Helmkronen für Familien die nicht dem historischen Adel zugerechnet werden.

Was die Queen angeht, so liegt auch hier keine Diskriminierung vor. Grossbritannien ist eine konstitutionelle Monarchie. Die (ungeschriebene) Konstitution (der Volkswille) steht über dem Monarchen und diese Konstitution (der Volkswille) gewährt dem Monarchen bestimmte Rechte (und auferlegt ihm bestimmte Pflichten). In gleicher Weise gewährt unser Grundgesetz dem Bundespräsidenten bestimmte Rechte.

Die ungeschriebene britische Konstitution und das deutsche Grundgesetz regeln jeweils wer das jeweilige Amt mit den entsprechenden Rechten und Pflichten erhält. In Grossbritannien wird es transparent durch Erbfolge vergeben, in Deutschland durch Wahl in der Bundesversammlung, wobei theoretisch jeder Deutsche über 40 Jahre wählbar ist. In der Praxis kommen aber nur bestimmte Parteigänger in Frage, die aufgrund verschiedener Absprachen hinter Verschlossenen Türen ermittelt werden.


Gruss
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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von HFRudolph » 08.11.2018, 14:03

Feudales Geburtsvorrecht ist soetwas von unvereinbar mit den Menschenrechten.
„Gleich an Würde und Rechten geboren“: Entweder Monarchie oder Menschenrechte.
Die britische Verfassung ist - gemessen an den Menschenrechten - insofern rechtswidrig und unwirksam.

Woher kommt eine Legitimation? Nur vom Volk. Eine Legitimationsdauer kann man für vie Jahre, fünf Jahre oder vielleicht auch noch 6 Jahe erteilen lassen. Aber nicht für 10 Jahre oder 20 Jahre. Soetwas ist Unrecht. Es ist immer wieder witzig, wenn irgendwelche „Adelsexperten“ im Fernsehen loben, wenn die Tronfolge jetzt irgendwo auch für die weiblichen Mitglieder der Monarchen gilt. Als ob das am grundsätzlichen Verstoß gegen die Menschenrechte (namentlichn den Gleichheitsgrundsatz als Basis der Menschenrechte) irgendetwas ändern würde....

Gegen das Demokratieprinzip (zu dem man bei konsequenter Umsetzung der Menschenrechte immer gelangt) verstößt eine Monarchie ohnehin. Wenn bei uns irgendeine Partei aktiv fordern würde, dass das Grundgesetz dahingehend geändert werden sollte, dass der Bundespräsident auf Lebenszeit gewählt werden sollte (was ja immerhin schon eine Wahl wäre, im Gegensatz zur Monarchie), dann könnte diese Partei sofort wegen verfassungsfeindlicher Bestrebung verboten werden.

Krone auf dem Wappen - Du sprichst immer so tolle Themen an. Eure Wappenrollen machen das, unsere nicht. Für uns wäre das eine Beleidigung, wenn uns jemand sagen würde: Ihr dürft keine Krone auf dem Wappen, die anderen aber schon, weil die damals zum Adel gehörten und dementsprechende Vorrechte hatten. Schon aus Prinzip habe ich auf dem Briefkopf ein Wappen mit offenem Helm: nicht weil damit Adel behauptet wird, sondern weil damit die Gleichberechtigung eingefordert wird. Zu sagen: du darfst keine Helmkrone oder keinen Spangenhelm führen, ist ein Mittelalterspektakel, dass die diktatorische und diskriminerende Politik des Kaiserreiches absichtlich transportiert und die Frage nach der zugrundeligenden (diskriminierenden) Ethik mit dem Verweis auf Tradition abwiegelt: was das explizite Eingeständnis ist, dass es für diese Ungleichbehandlung keinerlei Rechtfertigung gibt - denn das Argument lautet ja: wir machen das so, weil das zur guten, alten, romantifizierten Zeit der Diskriminierung auch schon so gehandhabt wurde.

Das ist so, als wenn du zu einem Mittelalterspektakel kommst und fragst, warum denn der arme Mann da so einen blöden gelben Hut tragen muss? Ja der ist halt Jude, und deshalb muss der hier auf dem Mittelalterspektakel so einen blöden Hut tragen. Der spielt nur einen Juden? Nene, der ist halt Jude und der darf nur mit so einem Hut beim Mittelalterspektakel rein. Er kann ja schnell zum Christentum konvertieren, dann darf er einen anderen Hut aufsetzen. Du sagst dann: Naja, der Jude kann halt auch zu Hause bleiben, dann wird er auch nicht diskriminiert (oder: die Frauen brauchen ja kein Wappen zu führen): das sehe ich aber ganz anders.

Welche Wappenrollen führen denn solche Diskriminierungen noch aus (Helmkronenverbot für Nichtadel, aber Erlaubnis für ehemaligen Adel)? Ich hätte da an deren Stelle ja schon wegen der Gemeinnützigkeit Magenschmerzen…

Und überhaupt: wer hat denn damals den Adel vergeben? Das war doch von vornherin alles Quatsch. Hiermit adle ich die Familie Faltin mit der Berechtigung, den Namen „von Faltinius“ zu führen. Ich, von Gottes Gnaden. Es gibt so schöne umfassende Rechtsdarstellungen aus alten Zeiten, wo die damalige Rechtsordnung in Pommern darstellt und auseinandergenommen wird: da ist dieses Gesetz, und dort jenes, und diese Ordnungsfunktion und jene Gesetzgebungsfunktion leitet sich dort ab und diese hier, und diese dort vom Fürsten und der vom Kaiser und: Ähhh, ähämm, hüstel, der leitet sich von gar nichts ab. Von seiner kriminellen Gewaltherrschaft. Oder der leitet sich von den Kurfürsten ab und die von ihm, noch besser. Ähhm, schnell das Thema wechseln, denn dann kommen wir ja dazu, dass alles komplett ohne jede Legitimationsgrundlage ist. Also der leitet seine Herrschaft von Gott ab. Oder Satan. Oder so.
Zuletzt geändert von HFRudolph am 08.11.2018, 14:58, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von HFRudolph » 08.11.2018, 14:09

Gott ist auch adlig, was man an seinem Spangenhelm und der Helmkrone erkennen kann. Jesus nicht, der darf nur die Dornenkrone und auch nicht das selbe Wappen: ist halt nur ein Bastard, wie der Heraldiker so schön sagt. Aber wie ich sehe, hat sich in den letzten 10 Jahren hinsichtlich des Themas Führungsberechtigung bei den alten wappenrollenführenden Vereinen so einiges getan, was durchaus zu loben ist. Aber beim Thema Spangenhelm und Helmkrone scheint noch der Wurm drin zu sein. Die Familie von Faltinius erhält auch das Recht, Helm und Helmkrone nach belieben zu führen. So wahr mir Gott helfe.

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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von Tejas552 » 08.11.2018, 16:34

HFRudolph hat geschrieben:
08.11.2018, 14:03
Feudales Geburtsvorrecht ist soetwas von unvereinbar mit den Menschenrechten.
„Gleich an Würde und Rechten geboren“: Entweder Monarchie oder Menschenrechte.
Die britische Verfassung ist - gemessen an den Menschenrechten - insofern rechtswidrig und unwirksam.
Darüber kann man trefflich streiten. Die Konstitution auch wenn sie ungeschrieben ist, gilt als Wille des Volkes und wenn ein Volk mehrheitlich einen Monarchen an der Spitze wünscht, dann ist dies rechtens und zu respektieren.

HFRudolph hat geschrieben:
08.11.2018, 14:03
Woher kommt eine Legitimation? Nur vom Volk. Eine Legitimationsdauer kann man für vie Jahre, fünf Jahre oder vielleicht auch noch 6 Jahe erteilen lassen. Aber nicht für 10 Jahre oder 20 Jahre. Soetwas ist Unrecht.
In den USA werden Verfassungsrichter (aus gutem Grund) auf Lebenszeit berufen. Die Gouverneure wichtiger Zentralbanken werden auf 8 oder 12 Jahre berufen. Kurze Amtszeiten können eine Plage sein, weil Kurzfristigkeit und das Streben nach Wiederwahl das Denken bestimmt.



HFRudolph hat geschrieben:
08.11.2018, 14:03
....
Gegen das Demokratieprinzip (zu dem man bei konsequenter Umsetzung der Menschenrechte immer gelangt) verstößt eine Monarchie ohnehin. Wenn bei uns irgendeine Partei aktiv fordern würde, dass das Grundgesetz dahingehend geändert werden sollte, dass der Bundespräsident auf Lebenszeit gewählt werden sollte (was ja immerhin schon eine Wahl wäre, im Gegensatz zur Monarchie), dann könnte diese Partei sofort wegen verfassungsfeindlicher Bestrebung verboten werden.
Ich weiss es nicht genau, aber ich bezweifele, dass das stimmt. Das Streben nach einer konstitutionellen Monarchie, also mit einem Monarchen der der Verfassung (also dem Volkswillen) untersteht, ist nicht verfassungswidrig. Einige demokratische Länder haben sehr gute Erfahrung mit konstitutionellen Monarchien gemacht. Die Spanier betrachten ihren König als Garant der Demokratie, schliesslich war er es der die Diktatur beendete und eine konstitutionelle Monarchie einführte. In den nordischen Ländern sind die Königshäuser kaum wegzudenken.



HFRudolph hat geschrieben:
08.11.2018, 14:03

Krone auf dem Wappen - Du sprichst immer so tolle Themen an. Eure Wappenrollen machen das, unsere nicht. Für uns wäre das eine Beleidigung, wenn uns jemand sagen würde: Ihr dürft keine Krone auf dem Wappen, die anderen aber schon, weil die damals zum Adel gehörten und dementsprechende Vorrechte hatten. Schon aus Prinzip habe ich auf dem Briefkopf ein Wappen mit offenem Helm: nicht weil damit Adel behauptet wird, sondern weil damit die Gleichberechtigung eingefordert wird. Zu sagen: du darfst keine Helmkrone oder keinen Spangenhelm führen, ist ein Mittelalterspektakel, dass die diktatorische und diskriminerende Politik des Kaiserreiches absichtlich transportiert und die Frage nach der zugrundeligenden (diskriminierenden) Ethik mit dem Verweis auf Tradition abwiegelt: was das explizite Eingeständnis ist, dass es für diese Ungleichbehandlung keinerlei Rechtfertigung gibt - denn das Argument lautet ja: wir machen das so, weil das zur guten, alten, romantifizierten Zeit der Diskriminierung auch schon so gehandhabt wurde.
.....

Welche Wappenrollen führen denn solche Diskriminierungen noch aus (Helmkronenverbot für Nichtadel, aber Erlaubnis für ehemaligen Adel)? Ich hätte da an deren Stelle ja schon wegen der Gemeinnützigkeit Magenschmerzen…
Ist die Frage ernst gemeint? Keine der grossen Wappenrollen werden ein neues Wappen mit Helmkrone akzeptieren, wenn der Antragstelle nicht nachweisen kann, dass seine Familie zum historischen Adel zählte. Man mag das sehen wie man will, aber es sind eben Vereine und die können fordern was sie wollen. Schliesslich ist ja niemand gezwungen ein Wappen in eine Wappenrolle eintragen zu lassen.
Ich habe das auch mal anders gesehen, aber schliesslich sind die heraldischen Vereine angetreten um eine historische Tradition weiterzuführen. D.h. sie müssen auch die historischen Regeln anwenden, auch wenn diese nicht immer in die Zeit passen. Wie gesagt, wenn Lieschen Müller ein Wappen mit Grafenkrone und Baldachin führen möchte, dann kann sie das tun, auch wenn die Betreiber eines privaten Vereins es ablehnen dieses Wappen in ihr Register aufzunehmen. Andere Regeln, wie die Farbregeln müssen schliesslich auch beachtet werden.


HFRudolph hat geschrieben:
08.11.2018, 14:03
Und überhaupt: wer hat denn damals den Adel vergeben? Das war doch von vornherin alles Quatsch. Hiermit adle ich die Familie Faltin mit der Berechtigung, den Namen „von Faltinius“ zu führen......

Wer? ein König, Kaiser oder sonstiger Monarch. Auf meiner Ahnenforschungsseite (link unten) zeige ich den Ukas (Befehl) des Zaren Alexander III, mit dem er 1882 Hermann Alexander Faltin und seinen Sohn in den erblichen russischen Adelsstand erhob:

https://www.faltin-ahnenforschung.com/u ... alexander/

Gruss
Dirk
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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von HFRudolph » 08.11.2018, 17:46

Art. 20 Abs. 1 GG lautet: „Die Bundesrepublik… “
Nach Art. 79 Abs. 3 GG sind die in Art. 20 GG festgelegten Grundsätze unabänderbar.
„Die Entscheidung für die Republik besagt daher nur, dass das Staatsoberhaupt nicht auf dynastischer Grundlage und nicht auf Lebenszeit berufen wird“ (herrschende Meinung, Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 20, Rn. 3, m. w. N.: Stern I 581).

Und wenn nicht aus dem Republiksprinzip, so ergibt es sich zumindest aus dem Demokratieprinzip, dass gewählt wird. Auch nicht so, wie bei Hitler: Der oder keiner, also Elisabeth II. oder keiner (weil dann keine Auswahl besteht). Warum kann man jetzt aber das Demokratieprinzip für immer festschreiben und die Monarchie verbieten? Weil das die Grundlage von allem ist, die Selbstbestimmung, die nicht veräußerbar ist. Die Selbstbestimmung beinhaltet nicht, dass man anderen Menschen die Selbstbestimmung grundsätzlich dauerhaft wegnehmen kann, also nach dem Motto: Wir wählen einen Diktator und das wars. Das führt das ganze Demokratieprinzip ad absurdum. Und dementsprechend kann auch keiner kommen und sagen, wir wählen einen Monarchen für 20 Jahre (wobei es dann ja ein Präsident wäre, weil gewählt. Also wenn ansonsten alles beim alten bliebe, könnte man das Amt des Bundespräsidenten auch in Bundeskaiser umbenennen -falsche Bezeichnung schadet nicht). Nur mal angenommen, man würde für 20 Jahre wählen.
Die Menschen werden im Schnitt 80 Jahre alt. Nach 10 Jahren sind 1/8 gestorben und in etwa 1/8 volljährig geworden, d. h. 1/4 des Wahlvolkes ist schon nicht mehr mit den ursprünglichen Wählern identisch und diese unterliegen insofern bereits der Fremdherrschaft (Ausfall durch altersbedingte Demenz noch nicht berücksichtigt): Abgesehen davon, dass das Demokratieprinzip beinhaltet, dass jedem Menschen zugebilligt wird, in regelmäßigen Abständen die Meinung zu korrigieren.

Spanien ist ein spannender Fall, weil in gewisser Weise pardox, weil der König die Demokratie ermöglicht hat, aber gleichzeitig sein Amt erhalten. „Garant der Demokratie“ konnte er aber nur damals sein gegenüber einer tendenziell monarchiefreundlichen faschistischen Elite. Einen Putsch oder Staatsstreich kann er aber vom Prinzip her genausowenig verhindern, wie ein Präsident. Das Parlament kann zwar die Verfassung ändern und die Monarchie abschaffen, wie auch in GB, nur ersetzt das keine Wahl. Demokratisch wäre es nur, wenn alle 6 Jahre ein König gewählt werden würde - dann wäre es dem Prinzip nach ein Präsident. Das wäre aber für eine Demokratie sehr ungewöhnlich, wenn dann noch die selbe Person dran wäre. In gewisser Weise führen die spanischen Könige ihre „Legitimation“ noch auf Franco zurück: Nur der hat wirklich gewählt. Und Francos „Legitimation“ geht noch auf Hitlers Unterstützung im Bürgerkrieg zurück. Also führt der spanische König seine „Legitimation“ auch auf Hitler zurück.

Nach unserem Rechtsverständnis kann es keine Legitimation für eine Monarchie geben. Zumindest partiell ist sie immer notwehrfähige Diktatur.

Dass die Richter bei uns eine Amtszeit bis zum Rentenalter haben und auch nicht vom Volk gewählt werden und auch so gut wie gar nicht abgesetzt werden können, kann man ja durchaus kritisch sehen. Ein Kommilitone hat das einmal als letztes quasifeudales Element bezeichnet, wobei ich persönlich diese Bezeichnung für unpassend halte.

Das College of arms ist - wenn ich das richtig erfasse - möglicherweise auch hinsichtlich des Prinzips der Gewaltenteilung problematisch. Die Wappenverleihung ist Exekutivfunktion, die Bestimmung der Regeln legislativ; ob auch noch judikative Elemente hinzukommen, weiß ich nicht.

Das mit dem von Faltinus-Adel hast Du falsch verstanden: Ich verleihe den an Dich und Deine namenstragenden Nachkommen. Ist genauso wirksam, wie jede andere Adelsverleihung von König xy heute wirksam ist (die hatten auch keine eigentliche Legitimation dazu): nur Vorrechte resultieren daraus heute glücklicherweise nicht (was manche Wappenrollen anscheinend gern anders hätten), weder aus dem einen, noch dem anderen. Das eine WIE DAS ANDERE ist in gewisser Weise Mummenschanz, auf den nur kleine Kinder hereinfallen! Den Spangenhelm mit Krone kannst Du wohl nicht bei allen eintragen (mit denen soll man auch nicht spielen). Allerdings gilt, dass Dir niemand die Führungsberechtigung absprechen kann: nur das zählt. Du hast das Recht dazu, einen Spangenhelm mit Krönchen zu führen. Immerhin bist du jetzt adlig - aber auch ohne gehts. Ist nicht heraldisch? Nein, doch, nein, doch, bähh. Das ist nur dann unheraldisch, wenn man „heraldisch“ als ethischen Widerspruch zu den Menschenrechten sieht.

Es gab sogar mal „Heraldiker“, die meinten, ein neugeschaffenes Wappen dürfe nicht im hochgotischen Stil wiedergegeben werden. Geht aber doch, wie Du selbst vorführst. Da gab es auch Helmkrönchen hauptsächlich für Fürstenhäuser.

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Re: Vererbung eines Wappens im England des 16. Jahrhunderts

Beitrag von Markus » 08.11.2018, 18:19

Wir Deutschen sollten nicht ansatzweise versuchen unser Rechtsverständnis den Briten, oder den Niederländern, Dänen, Schweden, Norwegern, Spaniern, Liechtensteinern, Monegassen und Luxemburgern überzustülpen. Es ist doch ganz klar, dass die europäischen Monarchien grundsätzlich von ihren jeweiligen Völkern mit großer Mehrheit gewollt sind. Die heutigen Monarchen haben doch mehr oder weniger nichts mehr zu melden. Sie sorgen aber für ein gesundes Nationalgefühl und schön anzusehende Traditionen. Und wenn die Majestäten nicht so spuren, wie es allgemein als Konsens angenommen wird (mag dieser verfassungsmäßig niedergeschrieben sein oder nicht spielt keine Rolle), wird der Volkszorn sie schnell von ihren Thronen fegen. Diese ganze Scheindiskussion ist so überflüssig wie ein Kropf, da ändert auch ein gewisser intellektueller Habitus nichts dran. Mir gefällt diese Staatsform mit ihrem Lametta im Übrigen ganz gut, kann sie mir für Deutschland aber nicht mehr vorstellen. Ich oute mich jetzt mal öffentlich als stiller Verehrer von Elizabeth II. Ich finde diese Frau beeindruckend. Gerade für England ist eine andere Staatsform für mich völlig undenkbar. Damit stehe ich wohl auf der Seite der britischen Mehrheit.
Heraldische Grüße
Markus

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