Flagge für Ortsteil?

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kriesel
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Flagge für Ortsteil?

Beitrag von kriesel » 15.12.2013, 14:00

Hallo Freunde der Heraldik,
ich möchte ein Ortsteilwappen entwerfen aber nicht nur das, ich möchte auch eine einfache Flagge für diesen Ortsteil entwerfen um das Wappen auch auf einer Flagge präsentierbar zu machen.
Ist das aus heraldischer Sicht vertretbar oder zu viel des Guten?

fragt Kriesel

chj
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Beitrag von chj » 15.12.2013, 20:47

Auch Ortsteilwappen unterliegen, sofern ich Kommunalheraldik der letzten Zeit richtig sehe, der Aufsicht der Landesbehörden. Flaggen auch.

Weiß der Gemeinderat vom dem Plan ? Ohne dessen Beschluss kommt das Wappen nicht zustande, weils nie die Landesbehörde ( welche auch immer in Brandenburg zuständig sein mag ) erreicht, wenn nicht auf dem Dienstweg. Ohne diese Bürokratie ist nix offiziell.

Als negatives Beispiel: http://www.shz.de/lokales/holsteinische ... 00236.html

Da waren die Gemeinderäte dagegen. Also vorher die werten Räte fragen. :)

kriesel
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Danke erst einmal

Beitrag von kriesel » 16.12.2013, 10:54

Danke für die Info. Mir geht es aber in erster Linie darum ob eine Flagge für einen Ortsteil aus heraldischer Sicht zu viel Geräusch macht bzw. ob das vertretbar ist.

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Claus J.Billet
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Beitrag von Claus J.Billet » 16.12.2013, 13:24

@ kriesel

Eine Gemeinde hat ihre eigenen Hoheitrechtlichen Satzungen, dazu gehören auch die verschiedenen zugehörigen Ortsteile, die dieser Gemeinde zuzurechnen sind.
Hier trifft der obige wichtige Hinweis von "chj" zu. :!:
Ohne Rücksprache und Genehmigung der betreffenden Gemeinde, über die von Ihnen geplante Nutzung von Symbolen aus dem bestehenden Gemeinde-Wappen, sollten Sie Abstand von einer Verwendung nehmen. :!:

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Simplicius
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Re: Flagge für Ortsteil?

Beitrag von Simplicius » 16.12.2013, 16:21

kriesel hat geschrieben:ich möchte ein Ortsteilwappen entwerfen aber nicht nur das, ich möchte auch eine einfache Flagge für diesen Ortsteil entwerfen um das Wappen auch auf einer Flagge präsentierbar zu machen. Ist das aus heraldischer Sicht vertretbar oder zu viel des Guten?
@kriesel, es stellt sich eigentlich die Frage, was hier mit „Ortsteil“ gemeint ist. Derzeit werden viele Dörfer, die ja schon zuvor zu Verwaltungsgemeinschaften zusammengeschlossen wurden, nun erneut in noch größeren Komplexen zusammengefasst, um Kosten zu sparen, wie man hört. Eine für mich persönlich nicht nachvollziehbare Folge ist, dass die einmal entworfenen Wappen der nunmehrigen Ortsteile, und sogar ältere überlieferte Symbole, wieder hinfällig werden, um sie dann durch eine Emblematik zu ersetzen, die „alle“ Teilgemeinden gleichermaßen repräsentieren soll. Das Ergebnis ist inhaltlich wie gestalterisch meist unbefriedigend. Weil es nur selten gelingen kann, die vielen geschichtlichen Besonderheiten der Ortsteile zu übernehmen, entsteht meist so eine Art „Summen-Wappen“, wenn ich es einmal so nennen darf. Man kann beobachten, dass es dabei zur Regel geworden ist, die Summe der Ortschaften meist durch Blätter, Sterne oder andere Objekte darzustellen, häufig abgerundet mit irgendwelchen Wellenlinien, bzw. „Flüssen“, die der Natur der Dinge zufolge ohnehin überall vorhanden sein müssen. Dadurch entsteht eine stereotype austauschbare Symbolik, und es kann sich kein Zeichen etablieren, mit dem sich auch die Menschen irgendwann einmal identifizieren würden, wie es sich etwa mit einem „Münchner Kindl“, einem „Berliner Bären“ oder einem „Stuttgarter Pferdle“ verhält, um einmal plakative Beispiele zu nennen.

Diesem Mißstand könnte man zunächst einmal begegnen, indem man das Gemeindewappen nicht primär, bzw. nicht allein als ein „Hoheitszeichen“ im rechtlichen Sinne betrachtet (übrigens ein Chargon, den ich auch primär den Diskussionen auf Webplattformen entnehme), sondern einfach zur Kenntnis nimmt, dass das Ganze ja auch einer kulturellen Betrachtung unterliegt. Wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass vielen Ortswappen, die häufig ab den 60er Jahren entworfen wurden, auch einer beispielhaften Archivarbeit und eine hervorragende Grafik zugrunde liegen, fällt es noch schwerer einzusehen, dass diese Symbolik nun durch motivationslose, oder sagen wir, beliebige Embleme ausgetauscht werden soll. Ein Vorschlag zur Abhilfe wäre nach meiner Ansicht leicht umsetzbar, - indem man sich nämlich für Namen und Wappen des Hauptortes einer Verwaltungsgemeinschaft entscheidet wenn es um Gemeindesiegel, bzw. Symbolik nach rechtlichen Erfordernissen gehen soll, - während man die Wappen der übrigen Teilgemeinden einfach beibehält, etwa um damit bei Dorffesten zu schmücken oder auch das Eigentum dieser Gemeinden im engeren Sinne zu kennzeichnen.




Wäre also hier, mit „Ortsteil“ etwa so ein Dorf einer Verwaltungsgemeinschaft gemeint, welches schon in geschichtlicher Zeit ein eigenes Gemeinwesen bildete, könnte dafür durchaus auch ein eigenes Wappen existieren, auch wenn es nicht als Siegel Verwendung finden, oder an der Tür des Feuerwehrfahrzeuges angebracht werden würde.


Möchte man ein Gemeindewappen entwerfen, geht es eigentlich nicht ohne Archivarbeit. Es gibt viele Beispiele, bei denen in Vergessenheit geratene Dorfsiegel wieder neu aufgerissen wurden. Im Übrigen müsste man, je nach dem was man vorfindet, die Motivwahl mit anderer Symbolik abwägen, wie bspw. mit Wappen der Dorfherrschaft, bzw. den Schildbildern alter Geschlechter, die eine gewisse Bedeutung für einen Ort hatten, bzw. sich nach ihm benannten. Diese Untersuchungen werden allzu häufig unterlassen (weil mit Mühe verbunden), und führen auch zu den oben beschriebenen „Allerweltswappen“, in denen Bäume, Bäche (Wellenlinien) und Mühlenräder dominieren.


Wie schon öfter gezeigt, befinden sich die Kommunalwappen in der Schweiz auf einem hohen Niveau:

Beispiel Kanton Basel-Land
Beispiel Kanton Aargau


Man kann in der Bundesrepublik ein Süd-Nord-Gefälle hinsichtlich der Wappengestaltung ausmachen. Während in Baden-Württemberg und Bayern tendenziell bessere Gestaltung, und an der gewählten Symbolik auch Archivarbeit erkennbar wird, die auf ein gewisses Geschichtsbewusstsein hindeutet, verweisen die Gemeindewappen im Norden häufig auf Allgemeinplätze wie Natur (Wasserwellen, Bäume) und Sehenswürdigkeiten. (wirken also „zahm“ und „unpolitisch“) Stereotyp sind das Wagenrad, das Wasserrad, die Wellenlinie und Laubblätter in allen Varianten. Das hierbei auch Tourismusvereine und Werbegemeinschaften, die ein „Branding“ für eine Gegend etablieren wollten Pate gestanden haben, könnte man sich gut vorstellen. Es dominiert auch gegenüber der heraldisch „aggressiven“, „aktiven“ und bedeutenderen Farbe Rot, ein passives „biedermeierliches“ Grün, wenn ich es einmal so nennen darf.

Beispiel Lks. Holstein
Beispiel Lks. Dithmarschen
Beispiel Lks. Barnim

@kriesel, die Frage die Sie stellen zielt wohl letztlich darauf ab, ein lokales Zeichen zeigen zu können, mit dem sich eine Gemeinschaft bzw. einzelne Personen identifizieren können, nehme ich an. Also eine Flagge für den Garten. (?) So lange das eine Privatinitiative bleibt ist es eigentlich egal, mit welchen „inoffiziellen“ Emblemen man sein Umfeld schmückt, auch wenn sie für eine Gemeinde stehen sollen. Von da her sehe ich eigentlich keine Probleme. Schöner wäre es natürlich einen offizielleren Weg einzuschlagen, bei dem es aber noch nicht einmal zu „amtlichen“ Symbolen kommen muss. – Nur richtig sollten sie eben sein. Als Flagge wäre eine echte Wappenflagge, also ohne Streifen, einmal ein schönes Exempel. Oder hier: St.Galler Tageblatt.

Grüße

kriesel
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Erklärung

Beitrag von kriesel » 16.12.2013, 21:29

Sehr geehrte Freunde der Heraldik,
erst einmal vielen Dank für die ausführlichen und umfangreichen Beiträge.

Zur Erklärung:
Ich möchte ein Wappen für den Brandenburger Ortsteil Wust entwerfen (Stadt Brandenburg an der Havel nicht das Bundesland) welcher 2003 in besagte Stadt eingemeindet wurde.
Da ich mich in meiner Freizeit unter Anderem mit der lokalen Geschichte befasse habe ich mich ausführlich mit der Geschichte dieses Ortsteils bzw. Dorfes beschäftigt. Leider gibt die Historie von Wust nicht viel her. Ein Wappen hatte bzw. hat Wust nicht. Brauchbare Sagen, Gebäude bzw. örtliche Besonderheiten gibt es meiner Meinung nach nicht. Aber: Wust war Jahrhunderte lang Besitz der Neustadt Brandenburg (heute Stadtteil der Stadt Brandenburg; ursprünglich eigene Stadt). Die Flagge der Neustadt Brandenburg ist Blau Weiß. Diese Farben würde ich gern auch für die Wuster Flagge und "vertauscht" für das Wappen verwenden. Außerdem:
Der Name Wust geht auf altpolabisch Vost zurück und bedeutet "Distel". Deshalb soll die Wappenfigur dieses Wappens eine Distel sein.

Ich werde meinen bisherigen Entwurf im Laufe des Januar mit einer Bekannten professionell bearbeiten. Ich möchte euch das Wappen dann auf dieser Seite vorstellen und euch nach eurer Meinung fragen.

Weiterhin sollen die Wuster und die Gemeindevertreter mit ins Boot geholt werden. Ich hab da schon`n Plan.
Übrigens hab ich auch schon für weitere Ortteile Brandenburgs Ideen.

Vielen Dank nochmal
Kriesel

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A.Jacob
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Beitrag von A.Jacob » 16.12.2013, 21:35

Hallo,

Ich ztitiere mal von der Seite des Herold:

" Die Deutsche Ortswappenrolle

Die Deutsche Ortswappenrolle des HEROLD begutachtet und registriert seit 2011 Wappen von kommunalrechtlich nicht selbständigen Ortschaften und Ortsteilen. Die Verleihung und Verwendung von Wappen selbständiger Städte, Gemeinden und Landkreise sind auf gesetzlichen Grundlagen rechtlich geregelt.

Durch die anhaltenden Kommunalreformen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland werden immer mehr traditionsreiche Orte nicht selbständiger Teil größerer Verwaltungseinheiten. Ihre historisch gewachsene Identität innerhalb der größeren Gemeinschaft wollen deren Bewohner oftmals mit einem überlieferten oder neuzuschaffenden Wappen zum Ausdruck bringen. Derartige Wappen sind keine Hoheitszeichen, sondern werden auf privatrechtlicher Grundlage geführt. Sie sind aber wichtige Zeichen regionaler Identifikation und örtlicher Selbstdarstellung. Wappenstifter sind daher zumeist Ortschaftsvertretungen und örtliche Vereine oder Verbände."

Zitat Ende

Natürlich kann eine Gemeinschaft auch ein Wappen führen.
Ein Ortsteilwappen muss doch kein Wappen sein, dass auf kommunalrechtlicher Ebene gestiftet wird, wenn es die Ortschaft nicht möchte.
Natürlich sollte die kommunalrechtliche Legitimation angestrebt werden. Ist es nicht möglich dann zivilrechtlich. Es kann aber das Ortsteilwppen nicht ersetzen. Es gibt Vereine die soetwas unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen

http://www.wappenkunst.de

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