Der Schwerpunkt der Frage liegt woanders, denke ich.
Hier und heute wird immer von Recht gesprochen, so als ob wir noch gewissen alten Zwängen unterworfen wären, ich glaube das führt in die falsche Richtung. Die ganzen Fragen zu irgendwelchen „Regeln“, dass Pochen auf Buchstaben, ist der hilflose Versuch einer Entwicklung entgegenzuwirken. Aber einer für die Heraldik an sich, unglücklichen Entwicklung.
Wenn man ehrlich ist, ist der Wunsch heute ein Wappen haben zu wollen, häufig ein infantiler Wunsch. Das merkt man ja deutlich an vielen Fragestellern. Durch Medien, Filme (Fantasiefilme), aber auch Sachbücher kommt man damit in Berührung.
Eine weitere Gruppe sind die „Identitätsstifter“, die ihrer Familie ein Zeichen setzen möchten, etwas Greifbares, dass Ihnen zeigt, ich stehe an einem bestimmten Platz in dieser Welt.
Eine dritte Gruppe gibt es wohl auch noch, die mit einem Wappen ihre Eitelkeit befriedigt sehen. Von Notwendigkeit, oder auch nur Vorteilhaftigkeit einer Wappnführung kann man heute wohl aber nicht mehr sprechen.
Es gibt noch mehr Beweggründe, will auch keine Gruppen manifestieren, und natürlich kommt auch alles vermischt vor, mit verschiedener Gewichtung, und mit verschiedenem Anspruch.
Was wirklich schade ist, dass es dabei auch jene gibt, die dass Wappenführen dabei nicht als Fortsetzung einer kulturellen Erscheinung sehen, sich damit erst gar nicht auseinandersetzen.
Schaut man sich Abbildungen auf Epitaphen, oder in Wappenbüchern an, so beobachtet man schon, ab dem 16.Jh., dass man versuchte zu unterscheiden.
Es war wohl wieder eine Gepflogenheit, deren „Übertritt“ geahndet wurde, oder auch nicht.
Man darf auch hier nicht die heutigen Maßstäbe, und vor allem Möglichkeiten ansetzen, verlief die Sache also insofern auch "humaner".
Es handelte sich ja um verschiedene Stände, der „niedere“ Stand wollte den „höheren“ imitieren.
Von Gestaltungsfragen abgesehen, war wohl der Sachverhalt an sich bekannt, sodass hier und da bewusst auf bestimmte Formen zurückgegriffen wurde.
Wenn man sich wirklich in die damaligen Verhaltenscode vertiefen möchte, muss man wissen, dass Adel nicht gleich Adel, und Bürger nicht gleich Bürger war. Besonders das hohe Patriziat versuchte sich auch hier, wie der Adel auch, gegen nicht Ebenbürtige abzuschließen. (Die Stände hielten zusammen) Deshalb kommt es ua. auch zu Spangenhelmen bei Bürgerlichen.
Über die Abgrenzungsversuche an sich, gibt es auch Literatur.
Ein greifbarer Fall wird an der Entwicklung des Wappens der Kirchner zu Neukirchen deutlich, dargestellt im Lexikon Heraldik.
http://books.google.de/books?id=lRfjNs4 ... 2-PA436,M1
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Eigentlich bin ich jemand, der in den Regeln etwas sieht, an das man sich klammert, wenn man sich mit Fragen auf dem Gebiet nicht ausreichend auseinandergesetzt hat. Beziehungsweise sich dem oft bezeichneten „Wildwuchs“ erwehren möchte.
Ich schlage da jetzt eine Brücke zu bestimmten dieser Gruppen, welche ich oben einmal ausgemacht habe, und bei welchen sich eben verschiedene Interessen beobachten lassen.
Was für einen „Rechtsbrauch“, hinsichtlich der Heraldik, gibt es denn in unserer Republik?
Ist es überhaupt sinnvoll Heraldik zu einem Gegenstand des Rechts zu machen?
Und am Ende:
Wer sich Wappen bedient, spielt ja ein bestimmtes Spiel mit, und wenn es doch eine Art Tradition hierzu gab, wenn auch nicht konsequent, warum dieses Spiel nicht mitspielen. Damals war es das Bekenntnis zu dem was man ist.
Heute gibt es keine Stände mehr. Vor allem gibt es keinen privilegierten Stand mehr.
Warum möchte ich als Bürger, nicht ohne Selbstbewusstsein zeigen, dass ich ein Bürger bin, wenn ich mich denn schon eines Wappens bedienen möchte?
Grüße