Bedeutung spiegelverkehrter Wappendarstellung?

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HFRudolph
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Bedeutung spiegelverkehrter Wappendarstellung?

Beitrag von HFRudolph » 12.11.2008, 17:29

Hallo,

an anderer Stelle stellte sich eine Frage, und zwar weshalb ein Wappen spiegelverkehrt dargestellt wurde. Vielleicht kennt sich jemand damit aus?

Es geht um diese Darstellung:
Bild

Es blickt wohl nicht nur der Helm in diese Richtung, sondern der gesamte Schildinhalt ist höchstwahrscheinlich gespiegelt.

Gruß
HFRudolph

P.S: Übrigens mal wieder ein Nachweis eines bürgerlichen Spangenhelms, mit Helmwulst übrigens…

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Jochen
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Beitrag von Jochen » 12.11.2008, 18:51

Ist das ein einzelnes Blatt? Dann wäre eine Erklärung in der Tat schwierig.

Oder eine Buchseite? Dann wäre interessant, wo der Hirsch hinkuckt....
Ne suy plus vil que les aultres

jochen

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R1126
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Unkenntnis

Beitrag von R1126 » 12.11.2008, 22:59

Manchmal wußten die Zeichner oder Künstler selbst nicht, wo das Wappen "hinschauen" soll. Auf dem Schloss Mitwitz habe ich das Wappen der ehemaligen Hausherren (bärtiger Männerkopf mit Heidenhut) mehrfach nach rechts als auch nach links hin ausgerichtet gesehen.


Viele Grüße

Ralf
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Jochen
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Beitrag von Jochen » 12.11.2008, 23:05

Vielleicht muß man auch nicht jedem spätmittelalterlichen Illustrator oder Steinmetz Kenntnis der heraldischen Courtoisie unterstellen.....

Oder anders ausgedrückt: Verschlossene Schränke können auch leer sein....
Ne suy plus vil que les aultres

jochen

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HFRudolph
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Beitrag von HFRudolph » 13.11.2008, 10:08

Das Bild stammt von Wikipedia, Quelle:
Aus dem Archiv des Lutherhauses Wittenberg
Kupferstich 17. Jh.
Author: unbekannt

Ob das Blatt also gebunden war, kann ich nicht sagen.

In einem Genealogieforum wurde aus Richtung der ehemaligen Heimatstadt der abgebildeten Person das Wappen nur spiegelverkehrt als solches einer Familie mit leicht abgewandelter Schreibweise angegeben, wobei das gesamte Wappen dort spiegelverkehrt dargestellt wird, also auch der Schild.

Es wurde auch schon angedacht, dass bei Erstellung des Stichs das Wappen einfach vom Original übertragen wurde, ohne zu bedenken, dass der Abdruck dann spiegelverkehrt erscheint. Soetwas scheint wohl vorgekommen zu sein, wobei das ein grober Schnitzer wäre.

Eine zufällige Verwechselung würde wohl insbesondere ausscheiden, wenn das Bild von Lucas Cranach dem Jüngeren oder dessen Werkstatt stammen würde, der immerhin mit seiner Nichte verheiratet war. Cranachs hatten selbst ein Wappen und haben zahlreiche Stiche gefertigt, so dass ein solcher Fehler eher unwahrscheinlich wäre.

Ich dachte eher an eine absichtliche Bedeutung, etwa die Versinnbildlichung, dass die abgebildete Person keine Kinder hatte - reine Spekulation - und insbesondere wollte ich wissen, ob eine derartige Vorgehensweise bekannt ist. (Immerhin sieht der Hirsch durch sein Kreuzauge auch ziemlich verstorben aus...)

Ob der Brauch bereits bestand, Ehewappen gegeneinander zu stellen und das eine zu spiegeln, weiß ich nicht. In dem Fall könnte es sein, dass der Künstler einfach die gespiegelte Version übernommen hat, in Unkenntnis dieser Praxis…

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HFRudolph
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Beitrag von HFRudolph » 13.11.2008, 10:21

Wappen Melanchtons, ebenfalls in dieser Blickrichtung:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... chlins.jpg

Gerade lese ich noch eine Nachricht, nach der eine spiegelverkehre Darstellung auch entstehen kann, wenn die Vorlage ein Kirchenfenster war, in der die Wappen wohl stets mit Blickrichtung zum Altar ausgerichtet wurden...?

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Claus J.Billet
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Beitrag von Claus J.Billet » 13.11.2008, 11:25

Selbst im alten Siebmacher finden sich, aus Gründen der heraldischen Courtoisie,
einander zugewendete Wappen. :lol:
http://www.wappenbuch.de/pages/wappen_1 ... macher.htm

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Beitrag von HFRudolph » 13.11.2008, 11:36

Ja, aber hat man dazu nur die Helmzier oder den gesamten Schild gespiegelt?

Also es scheint eine solche Spiegelung keine besondere Bedeutung zu haben…

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keine Bedeutung

Beitrag von R1126 » 13.11.2008, 13:19

Meines Wissens wird das gesamte Wappen gespiegelt, also Helmzier und Schild mit Schildinhalt. Das scheint zumindest teilweise so sehr üblich gewesen zu sein, dass man oft einander zugewandte Wappen findet, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Eine Bedeutung würde ich darin nicht vermuten.

Viele Grüße

Ralf
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Gast

Beitrag von Gast » 13.11.2008, 13:24

Solche Kupferstich-Portrais stammen doch meistens oder fast immer aus einem Kontext, also einem Buch und waren keine fliegenden Blätter. Und dann könnte die heraldische Höflichkeit wohl ein Element gewesen sein: Entweder als erste, illustrierende Seite eines Textes des Gelehrten selbst, und das Wappen sollte sich vielleicht nicht vom fogenden Titel oder gar einer Widmung abwenden. Oder der Stich stammt aus einer Serie von Gelehrtenportraits (über dem Wappen steht auch eine “20”) und die verschiedenen Wappen waren einander zugewandt.
Ich halte diese Erklärung für wahrscheinlicher als eine Unkenntnis der Spiegelungen seitens des Stechers.

Beste Grüße
J.v.W.

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Beitrag von Aldus_Hopp » 13.11.2008, 14:26

Nur das Schildbild wird gespiegelt, die Helmzier wird gedreht.
Mit freundlichem Gruß
Aldus Hopp

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HFRudolph
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Beitrag von HFRudolph » 13.11.2008, 16:04

Vielen Dank! Damit wäre die Frage wohl geklärt. Wobei gerade eine freundliche Person aus einem Genealogieforum
http://www.geneal-forum.com/index_en.php

anmerkte, dass für heutige Verhältnisse auch das Hemd linksherum geknöpft wäre, was wiederum auf einen Fehler des Kupferstechers deuten würde.

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M. Waas
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Beitrag von M. Waas » 13.11.2008, 17:39

Aus der Knopfleiste auf einen Fehler schließen? Links und rechts geknöpft - Männlein und Weiblein - gibt es erst seit vielleicht 100 Jahren und ist nicht in jedem Kulturkreis üblich.
Rechte und linke Schuhe gibt es auch gerade erst mal seit 150 Jahren.

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HFRudolph
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Beitrag von HFRudolph » 13.11.2008, 17:43

es war eine reine Spekulation…

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