Der Codex Manesse (Grosse Heidelberger Liederhandschrift) ist bekanntlich eine Sammlung von Minneliedern und anderer Lyrik vor allem des 12 und 13. Jahrhunderts, die um 1300 in Zürich entstanden ist. Auftraggeber und Sammler der Werke waren höchstwahrscheinlich die Ritter Rüdiger Manesse und sein Sohn Johannes.
Das Werk enthält 137 Autoren-Miniaturen, also Bilder der jeweiligen Dichter. 117 der Miniaturen zeigen ein Wappen (meistens Schild, Helm und Helmzier) der Dichter. Interessanterweise konnte nur etwa ein Drittel der Wappen verifiziert (" ... in einem heraldischen Sinn als historisch richtig erwiesen werden ..." (vgl. "Der Codex Manesse von Anna Kathrin Bleuler, S. 63).
Für viele der Dichter war kein Wappen bekannt, bzw. sie hatten überhaupt kein Wappen, so dass es erst für den Eintrag in den Codex "erfunden" wurde. Ich frage mich, ob diese Codifizierung einer Stiftung gleichkommt, oder ob die entsprechenden Schildbilder noch frei sind.
Selbst wenn der Eintrag in den Codex (oft viele Jahre oder ein Jahrhundert nach dem Tod der Dichter) einer Stiftung gleich käme ist damit immer noch nicht klar, ob diese Wappen diesen Familien tatsächlich gehören in dem Sinne dass sie auch geführt wurden oder werden. In einem Berner Werk zur Heraldik habe ich den schönen Satz gelesen, wonach man zwar ein Wappen stiften könne, es aber erst durch Akzeptanz and Führung durch weiterer Familienmitglieder zum Familienwappen würde. In diesem Sinne sind die meisten der erfundenen Wappen im Codex Manesse vermutlich keine Familienwappen, bzw. gehöhren und gehörten niemals bestimmten Familien. Dennoch wird eine Wappenrolle die Wappen wohl heutzutage als "vergeben" ansehen.
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848
Wappen im Codex Manesse
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Wappen im Codex Manesse
Zuletzt geändert von Tejas552 am 04.07.2022, 14:53, insgesamt 1-mal geändert.
Beste Grüsse
Dirk
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Wappen im Codex Manesse
Herzlichen Dank für die Belehrung.
Ich habe immer geglaubt, daß es sich bei
den abgebildeten Wappen stets um die „echten“
Wappen der Dichter handeln würde.
Freundliche Grüße vom Rhein
Ich habe immer geglaubt, daß es sich bei
den abgebildeten Wappen stets um die „echten“
Wappen der Dichter handeln würde.
Freundliche Grüße vom Rhein
Re: Wappen im Codex Manesse
Hallo Herr v. Roy,
ja, der Ansicht war ich auch, bis ich das genannte Buch gelesen habe. Im Codex werden die Werke von 140 Dichtern aufgeführt (137 mit Autorenbild). Von den 140 Personen sind 90 nur aus dem Codex Manesse bekannt. Aus meiner Sicht zeigt dies die grosse Unsicherheit bezüglich der Aussage, dass nur etwa ein Drittel der 117 Wappen als "historisch" gelten. Ich denke es ist gut möglich, dass der Anteil höher ist, wir aber mangels erhaltener Quellen dies heute nicht mehr überprüfen können.
Man kann aber wohl sicher davon ausgehen, dass viele der nicht-adeligen Dichter, wie die verschiedenen aufgeführten Meistersänger, vielleicht auch einige der Kleriker und Schulmeister über keine eigenen Wappen verfügten.
Zudem sind einige der Wappen, die Rittern zugeordnet sind sehr zweifelhaft. Zum Beispiel zeigt das Wappen des Herrn Alram von Gresten in Gold einen blauen Schrägbalken mit der Aufschrift AMOR in silber. Ich vermute stark, dass dies ein Fantasiewappen ist:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/digli ... image,info
ja, der Ansicht war ich auch, bis ich das genannte Buch gelesen habe. Im Codex werden die Werke von 140 Dichtern aufgeführt (137 mit Autorenbild). Von den 140 Personen sind 90 nur aus dem Codex Manesse bekannt. Aus meiner Sicht zeigt dies die grosse Unsicherheit bezüglich der Aussage, dass nur etwa ein Drittel der 117 Wappen als "historisch" gelten. Ich denke es ist gut möglich, dass der Anteil höher ist, wir aber mangels erhaltener Quellen dies heute nicht mehr überprüfen können.
Man kann aber wohl sicher davon ausgehen, dass viele der nicht-adeligen Dichter, wie die verschiedenen aufgeführten Meistersänger, vielleicht auch einige der Kleriker und Schulmeister über keine eigenen Wappen verfügten.
Zudem sind einige der Wappen, die Rittern zugeordnet sind sehr zweifelhaft. Zum Beispiel zeigt das Wappen des Herrn Alram von Gresten in Gold einen blauen Schrägbalken mit der Aufschrift AMOR in silber. Ich vermute stark, dass dies ein Fantasiewappen ist:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/digli ... image,info
Beste Grüsse
Dirk
Dirk
Re: Wappen im Codex Manesse
Hallo Dirk,
ich denke auch, dass das ein Phantasie-Wappen ist; dennoch: Die Familie v. Lotzenkirchen führt(e) ein Wappen mit dem Schriftzug "LIEB"
https://images.sub.uni-goettingen.de/ii ... efault.jpg
https://images.sub.uni-goettingen.de/ii ... efault.jpg
Möglich ist also alles...
Beste Grüße
Robert
ich denke auch, dass das ein Phantasie-Wappen ist; dennoch: Die Familie v. Lotzenkirchen führt(e) ein Wappen mit dem Schriftzug "LIEB"
https://images.sub.uni-goettingen.de/ii ... efault.jpg
https://images.sub.uni-goettingen.de/ii ... efault.jpg
Möglich ist also alles...
Beste Grüße
Robert
Re: Wappen im Codex Manesse
Hallo Robert,
das Wappen v. Lotzenkirchen ist wirklich erstaunlich und war mir nicht bekannt. Das lässt das Wappen des Herrn v. Gresten tatsächlich gleich sehr viel plausibler erscheinen. Denkbar ist auch, dass sich jemand bei der Schaffung des Wappens derer v. Lotzenkirchen vom Wappen v. Gresten aus dem Codex Manesse inspirieren liess.
Gruss
Dirk
das Wappen v. Lotzenkirchen ist wirklich erstaunlich und war mir nicht bekannt. Das lässt das Wappen des Herrn v. Gresten tatsächlich gleich sehr viel plausibler erscheinen. Denkbar ist auch, dass sich jemand bei der Schaffung des Wappens derer v. Lotzenkirchen vom Wappen v. Gresten aus dem Codex Manesse inspirieren liess.
Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk
Dirk
Re: Wappen im Codex Manesse
Das Wappen der österreichischen Familie von Gresten ist nicht bekannt -- und war wohl auch dem Urheber der Miniatur nicht bekannt, so dass er, wie bereits angedeutet wurde, ein Phantasiewappen für das Kompositonsschema aufgriff.Tejas552 hat geschrieben: ↑04.07.2022, 21:34Hallo Robert,
(..) Das lässt das Wappen des Herrn v. Gresten tatsächlich gleich sehr viel plausibler erscheinen. Denkbar ist auch, dass sich jemand bei der Schaffung des Wappens derer v. Lotzenkirchen vom Wappen v. Gresten aus dem Codex Manesse inspirieren liess.
Das im Codex Manesse gezeigte, im Zentrum der Miniatur herzförmig durch Rosenranken umschlossene Wappen (im goldenen Schild ein blauer Schrägbalken mit der silbernen Inschrift AMOR) ist nach Walther/Siebert nicht als persönliches Attribut zu verstehen, sondern als Zeichen der Minne, mit der der Bildinhalt nochmals symbolisch dargestellt wird. "Helm und Helmzier fehlen, wohl nicht nur aus Platzgründen". Wir sehen hier einen Dichter um die Dame werben. Man beachte: Die des Lesens kundige Dame deutet mit der Rechten vom Buch zum Dichter. Auf dem Buch sind die Anfangszeilen des höfischen Abenteuerromans "Lanzelet" von Ulrich von Zatzikhoven, entstanden vor 1200, zu lesen. So erfahren wir etwas über die Natur der Beziehung der beiden dargestellten Personen und warum der Urheber ein fiktives Armor-Schild ins Zentrum der Miniatur setzte.
Womöglich waren die v. Lotzenkirchen von der Darstellung im Codex Manesse inspiriert? Denkbar, aber Stand heute ist das nicht durch Quellen zweifelsfrei bewiesen oder belegt. Wie auch immer: Die Bildersprache beider Wappen scheint eine Anlehung an die Minne zu sein und gleicht in einem gewissen Sinn den in Bäumen eingeritzten Liebesschwüren mit Initialen in einem Herz, wie sie bis heute gebräuchlich sind ... und die sind bekanntlich auch keine "echten" Wappen.
1001 Grüße