Phantasie – gibt es ein Zuviel ?

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Claus J.Billet
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Phantasie – gibt es ein Zuviel ?

Beitrag von Claus J.Billet » 29.05.2022, 09:50

hm ...
Werte "Forensiker" :wink:
Phantasie kann etwas schönes produzieren :lol:
... aber sich auch weit von jeglichem Zusammenhang
in der Deutung entfernen.
Zuviel Phantasie verwirrt den Betrachter
und entfernt sich von der Aussage über das Wappen einer Familie.
Helmzier :
:arrow: bitte den Rückenkamm des Ebers nicht als Decke auslaufen lassen. :idea:

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Tejas552
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Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Tejas552 » 31.05.2022, 09:30

Also nochmal kurz zur Klärung:

- Ich finde den jetztigen Entwurf sehr ansprechend. Ich habe selber ein bischen mit einer abstrakteren Darstellung experimentiert, die ich hier vielleicht noch zeigen werden.

- Ich finde aber auch den Einwurf von Herrn Billet sehr gut. Ich finde das ist ein gutes Thema für eine heraldische Grundsatzdebatte, die die Stiftung hier gar nicht betreffen muss.
Beste Grüsse
Dirk

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Jochen
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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Jochen » 31.05.2022, 09:38

Ich fand es einen guten Vorschlag, Herrn Billets Einwand in einem gesonderten Faden zu diskutieren.

Voilà, nous y sommes !
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jochen

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Gerd
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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Gerd » 31.05.2022, 09:43

Ich habe mal den Themennamen geändert damit hier nicht zwei Dinge mit gleichem Namen sind und es nicht zu Verwechslungen kommt.
Mit besten Grüssen
Gerd
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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Jochen » 31.05.2022, 09:46

Danke Gerd, meine Maus spinnt gerade.....
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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von GM » 31.05.2022, 09:50

Tejas552 hat geschrieben:
31.05.2022, 09:30
[…]
- Ich finde aber auch den Einwurf von Herrn Billet sehr gut.
[…]
Da geht‘s mir ähnlich wie dem Stifter: Der tiefere Sinn der sicherlich weisen Worte unseres heraldischen Großmoguls will sich mir nicht erschließen 🤷‍♂️.

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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Gerd » 31.05.2022, 09:59

Na dann fang ich mal an mit meinem Anliegen:

Ich finde das ständige Beharren auf der 3:2:3-Vorgabe für die Größenverhältnisse falsch. Der Stifter möchte, wie im letzten Beispiel einen Eberkopf in der Zier. Dann kann ich den Eberkopf nicht in dieses Verhältnis bringen. Er würde zu wuchtig bzw. aufgeblasen wirken. Es hilft auch nicht den Hals zu verlängern um das Verhältnis einzuhalten, da dann ein Eberrumpf draus werden würde obwohl ein Eberkopf gewünscht wird. Man muss also hier von diesem Größenverhältnis abweichen.
Mit besten Grüssen
Gerd
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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von GM » 31.05.2022, 10:05

Stimme ich zu. Gleichwohl ist für meinen Geschmack der Helm im Verhältnis zum Schild etwas sehr klein geraten.

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Claus J.Billet
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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Claus J.Billet » 31.05.2022, 10:40

Es fällt mir schwer hier ruhig zu bleiben. :!:
Wir bewegen uns in der Zeit der :) HERALDIK
und nicht in der Zeit der ollen Römer.
Zu damaliger Zeit konnten die Legionäre einfach
einen Tierkopf (als Zier) über ihren Helm stülpen. :wink:
Der Heraldik-Regel nach geht das bei dem Wappenentwurf aber nicht :!:
Ergo : muß hier die Zeichnung der Helmzier (Ebert) geändert werden :!:
(mich wundert daß das bisher noch niemandem aufgefallen ist)
Dann kommt die Entwurf-Zeichnung wieder zur 3-2-3 Regel zurück :!: :mrgreen:
Zuletzt geändert von Claus J.Billet am 31.05.2022, 11:06, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Tejas552 » 31.05.2022, 10:46

Ich denke das Thema lautet "Grenzenlose Fantasie oder Grenzen der Fantasie in der Heraldik". Ich möchte das Thema aber nicht anhand der vorliegenden Stiftung diskutieren.

Fantasie ist ein positiv besetzter Begriff nach dem Motto «man kann gar nicht zu viel Fantasie haben». In der Heraldik stehen dem aber bestimmte Grundsätze gegenüber, die der Fantasie Grenzen setzen: Klarheit, Schlichtheit, Erkennbarkeit, die häufig als «weniger ist mehr» zusammenfasst werden. Ich denke bei der Wappenfindung geht es häufig darum diese Grenzen auszuloten.
Wir werden hier niemals auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Es ist nur verständlich das diese Grenzen unterschiedlich beurteilt werden. Schon die Frage ob moderne Wappen noch den Ansprüchen der mittelalterlichen Heraldik gerecht werden müssen wird sich nicht eindeutig beantworten lassen.

Die Naivität und gewisse "Beschränktheit" mittelalterlicher Wappen widerspiegelt nicht selten das begrenzte Wissen dieser Zeit. Beispiel: Man stelle sich vor ein Stifter möchte den Wikinger-Gott Odin im Wappen führen. Schliesslich werden auch christliche Heilige in Wappen dargestellt und Beschreibungen von Odin (ein Auge, Lanze, zwei Raben) hätten zumindest theoretisch im 15. Jahrhundert bekannt sein können. Praktisch waren sie aber nicht bekannt und ein Odin-Wappen wäre auch aus religösen Gründen nicht in Frage gekommen. Muss man das Unwissen des Mittelalters auf die Neuzeit übertragen oder ist ein Odin-Wappen heute kein Problem?

Mein persönlicher Ansatz (wohlgemerkt keine Regel, kein Muss) ist der: wenn ich mir ein Wappen nicht auf einem mittelalterlichen Turniergrund vorstellen kann, dann bin ich skeptisch. Ein Wikingerschiff auf dem Helm (hatten wir mal im Schwesterforum) wäre für mich nicht akzeptabel auch wenn die Mehrheit der Diskutanten darin kein Problem erkennen konnte und das Wappen gestiftet wurde.

Aber das Thema hat natürlich noch weitere Dimensionen. Man Stelle sich vor ein sehr fantasievoller Stifter namens Müller möchte als Wappenfigur ein Mischwesen bestehend aus einem Löwen und einem Mühlrad also den bis dato unbekannten Mühlrad-Löwen. Der Fantasie ist damit sicher genüge getan, der Erkennbarkeit, Schlichtheit und Klarheit ist diese Kombination aber nicht zuträglich.

Mein persönlicher Ansatz (wohlgemerkt keine Regel, kein Muss) ist hier der: so einfach und so klar wie möglich - Klarheit und Einfachheit triumphiert über Fantasie. Der Einwand wonach der Mühlrad-Löwe sicher einmalig ist gilt nicht, denn mit den bewerten (und viel zu selten verwendeten) heraldischen Stilmitteln lässt sich immer Einmaligkeit herstellen.
Zuletzt geändert von Tejas552 am 31.05.2022, 11:06, insgesamt 3-mal geändert.
Beste Grüsse
Dirk

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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Jochen » 31.05.2022, 10:47

Claus J.Billet hat geschrieben:
31.05.2022, 10:40
Es fällt mir schwer hier ruhig zu bleiben. :!:
Wir bewegen uns in der Zeit der :) HERALDIK
und nicht in der Zeit der ollen Römer.
Zu damaliger Zeit konnten die Legionäre einfach
einen Tierkopf (als Zier) über ihren Helm stülpen. :wink:
Der Heraldik-Regel nach geht das bei dem Wappenentwurf aber nicht :!:
Ergo : muß hier die Zeichnung der Helmzier geändert werden :!:
(mich wundert daß das bisher noch niemandem aufgefallen ist)
Dann kommt die Entwurf-Zeichnung wieder zur 3-2-3 Regel zurück :!: :mrgreen:
Da muß ich widersprechen. Schon in der Zürcher Wappenrolle gibt es ein Beispiel für eine Tiermaske.

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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Claus J.Billet » 31.05.2022, 11:00

Jochen,
stimmt, allerdings ohne Helm-Darstellung. :lol:

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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Tejas552 » 31.05.2022, 11:01

Jochen hat geschrieben:
31.05.2022, 10:47


Da muß ich widersprechen. Schon in der Zürcher Wappenrolle gibt es ein Beispiel für eine Tiermaske.
Stimmt und genau an dieses Wappen musste ich auch sofort denken. Allerdings, hat sich dieser Stil nicht durchgesetzt. Er ist die Ausnahme, der die von Herrn Billet angesprochene Regel bestätigt.

PS: Falls es noch führungsberechtigte Nachfahren gibt, sollten sie mal prüfen ob sie nicht Disney wegen der Verletztung von Urheberrechten verklagen können :lol:

PPS: Es gibt noch andere Ausnahmen, in denen zum Beispiel Haare als Helmdecken dienen etc. Aber, wie gesagt, es sind Ausnahmen und (aus gutem Grund) nicht die Regel.
Beste Grüsse
Dirk

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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Gerd » 31.05.2022, 11:43

Claus J.Billet hat geschrieben:
31.05.2022, 10:40
Es fällt mir schwer hier ruhig zu bleiben. :!:
Wir bewegen uns in der Zeit der :) HERALDIK
und nicht in der Zeit der ollen Römer.
Zu damaliger Zeit konnten die Legionäre einfach
einen Tierkopf (als Zier) über ihren Helm stülpen. :wink:
Der Heraldik-Regel nach geht das bei dem Wappenentwurf aber nicht :!:
Ergo : muß hier die Zeichnung der Helmzier (Ebert) geändert werden :!:
(mich wundert daß das bisher noch niemandem aufgefallen ist)
Dann kommt die Entwurf-Zeichnung wieder zur 3-2-3 Regel zurück :!: :mrgreen:
Das sehe ich völlig anders und da bin ich auch nicht der Einzige. Ich nenne nur mal drei Beispiele die in der DWR eingetragen sind und deren Helzier kleiner ist aus ästhetischen Gründen und nicht verändert wurde nur um die 3:2:3-Regel einzuhalten.

Wappen Metz: Bd. 77, S. 18, Reg.-Nr. 11637/14
Wappen Dietz: Bd. 77, S. 68, Reg.-Nr. 11687/14
Wappen Ziegert: Bd. 78, S. 18, Reg.-Nr. 11747/15

Davon mal abgesehen das der Eberkopf im Beispiel nicht über den Helm gestülpt ist, sondern auf dem Helm erscheint.
Mit besten Grüssen
Gerd
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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von GM » 31.05.2022, 11:52

Soweit also die „Mittelalterfraktion“. Ist es das, was gemeint ist, wenn wir uns eine lebendige Heraldik wünschen?
Ohne den in einigen Fällen extremen „Gegenbeispielen“ in der angelsächsischen Heraldik das Wort reden zu wollen, ein wenig mehr Zeitgeist könnte zumindest den dicksten Staub von der hiesigen Heraldik pusten.
Aber dies ist wohl eher eine Glaubens-/Geschmacksdiskussion und wird sich durch Argumente nicht beenden lassen.
Kann ich auch gut mit leben, solange nicht „unumstößliche Regeln“ und die „reine Lehre der Heraldik“ in die Debatte eingeführt werden.

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