Phantasie – gibt es ein Zuviel ?

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Berlingo
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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Berlingo » 31.05.2022, 12:05

Claus J.Billet hat geschrieben:
31.05.2022, 11:00
Jochen,
stimmt, allerdings ohne Helm-Darstellung. :lol:
Von dem Wappen "Grassauer" sind spätere Aufrisse auch mit Helm bekannt, zum Beispiel so:

Bild

Weitere Beispiele zu diesem Wappen siehe: https://www.heraldik-wiki.de/wiki/Famil ... _Grassauer

Weitere Beispiel für "Tier-/Mensch-Helmmasken" siehe (unten im Heraldik-Wiki-Beitrag):
https://www.heraldik-wiki.de/wiki/Maske ... m „-maske“


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RME
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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von RME » 31.05.2022, 12:11

Berlingo hat geschrieben:
31.05.2022, 12:05



Bild
Genau daran dachte ich in diesem Zusammenhang auch. Ich meine auch, dass Volborth dieses Wappen an einer Stelle bespricht. Ich meine auch bereits noch eindeutigere Aufrisse gesehen zu haben... in denen der Tierkopf den Helm komplett umschloss und die Bügel gewissermaßen die Zähne der
Tiergestalt darstellten.

Könnte ein Ex-Libris gewesen sein, das ich auf der WdW gesehen habe.

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Claus J.Billet
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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Claus J.Billet » 31.05.2022, 12:39

Dunnerknispel ... erwischt :!: :oops:

die einen sagen so
die anderen eben ... anders :idea: :mrgreen:

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Jochen
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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Jochen » 31.05.2022, 13:05

RME hat geschrieben:
31.05.2022, 12:11
..... Ich meine auch bereits noch eindeutigere Aufrisse gesehen zu haben... in denen der Tierkopf den Helm komplett umschloss und die Bügel gewissermaßen die Zähne der
Tiergestalt darstellten.
...
Die Herzöge von Kleve hatten sowas....

Bild
Ne suy plus vil que les aultres

jochen

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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Tejas552 » 31.05.2022, 13:07

Wir stellen jetzt sehr stark auf eine bestimmte Form der Helmzier ab, für die es zwar Beispiele gibt, die aber nicht regelmässig vorkommt.

Um leider doch nochmal auf die Stiftung Ebert zu kommen: Ich denke ein wachsender Eberkopf kann gut umgesetzt werden. Der Hals wird etwas verlängert und die Ohren aufgestellt, dann wird das auch mit der 3:2:2-Regel passen. Wenn aber das Eberfell selber als Helmdecke dienen soll, dann sehe ich es eher skeptisch, wäre aber auch nicht komplett dagegen.

Aber wie gesagt, in diesem Faden geht es nicht um die Wappenstiftung Ebert, sondern um die grundsätzlichere Frage wie zwischen fantasievollen Darstellungen und den Anforderungen an Erkennbarkeit, Schlichtheit und Klarheit abgewogen werden kann. Dabei ist es m.E. auch nicht hilfreich zu polarisieren, in dem man von "Mittelalterfraktionen" und "dem dicksten Staub" spricht. Ist die gegenwärtige Heraldik verstaubt, oder wird sie durch zuviel Fantasie immer mehr aufgeweicht?

Mir persönlich ist sie bereits zu progressiv. Ich bin kein Freund von Wikingerschiffen und Flugzeugpropellern in Wappen. Für mich gehören sie dort nicht hin. Aber man kann natürlich anderer Ansicht sein. Die Geschmacksfrage endet für mich irgendwann dort wo Prinzipien von Klarheit, Schlichtheit und Erkennbarkeit betroffen werden (die vielfachgeteilten Wappen des Hochadels sind kein Gegenbeispiel, da die Stammwappen i.R. schlicht, klar und gut erkennbar waren).

Um mein Beispiel von oben aufzugreifen, Herr Müller der seinen Namen und einen Löwen im Wappen haben möchte, sollte m.E. primär nicht auf das Fantasiegeschöpf des Mühlrad-Löwen zurückgreifen, sondern könnte im geteilten Schild eine Löwenpranke und ein halbes Mühlrad, oder eine Löwenpranke ein Mühlrad haltend zeigen. Das Grundprinzip sollte m.E. sein: so einfach, schlicht und erkennbar wie möglich. Was macht man, wenn der Stifter aber nunmal partout den Mührad-Löwen als neue Wappenfigure schaffen möchte? Nun ja, letztendlich gilt der Geschmack des Stifters, auch wenn der Heraldik kein grosser Dienst erwiesen wurde.

Dies gilt primär für den Schild. Die Helmzier, darf nach meinem Empfinden auch gern mal exotischer sein, vor allem wenn das Schildbild besonders schlicht ist. Aber auch hier sollte kein Rätselraten angesagt sein. Alle Elemente sollten m.E. klar und möglichsts unmissverständlich "lesbar" sein. In diesem Rahmen kann dann der Fantasie bei der Helmzier freien Lauf gelassen werden.
Zuletzt geändert von Tejas552 am 31.05.2022, 13:35, insgesamt 4-mal geändert.
Beste Grüsse
Dirk

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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Ryan » 31.05.2022, 13:12

Claus J.Billet hat geschrieben:
31.05.2022, 11:00
Jochen,
stimmt, allerdings ohne Helm-Darstellung. :lol:
Ich glaube dass, die weiße Querschindeln sind eigentlich die Öffnungen für die Augen.

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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von Tejas552 » 31.05.2022, 13:33

Ryan hat geschrieben:
31.05.2022, 13:12
Claus J.Billet hat geschrieben:
31.05.2022, 11:00
Jochen,
stimmt, allerdings ohne Helm-Darstellung. :lol:
Ich glaube dass, die weiße Querschindeln sind eigentlich die Öffnungen für die Augen.
Ich denke auch, dass hier der Helm mit einer Tier- bzw. Teufelsmaske überzogen erscheint. Falls dieser Helm jemals real existierte, muss dass ein eindrucksvoller Anblick gewesen sein.
Beste Grüsse
Dirk

Ryan
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Re: Phantasie – gibt es ein Zuviel ?

Beitrag von Ryan » 31.05.2022, 13:35

So, mit "Phantasie" ist gemeint das es die Größenverhältnisse passt nicht zu irgendeinem Regal? Ich habe gedacht das Phatasie hat etwas mit Vorstellungsvermögen oder Märchen zu tun.

Wenn man darauf besteht, dass man eine traditionelle Wappen führen muss und damit ist nur deutsche Tradition gemeint, dann soll man deutsche Wappen mit Eberkopf als Helmzier anschauen. Der Hardenberger Wappen hat einen Eberkopf:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... Wappen.gif
Früher Variante hat einen Rumpf und späterer hat Straußenfedern.

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Re: Phantasie – gibt es ein Zuviel ?

Beitrag von Rheinländer_ » 31.05.2022, 14:41

Wieder einmal sehr interessant alles. Ich dachte bislang, dass die Wappenbilderordnung Vorgaben für Motive bildet, aus denen sich x verschiedene Figuren erstellen lassen. Da zum Beispiel kein Maschinengewehr, Schraubenschlüssel,..gelistete ist, taucht dieses auch nicht auf (dagegen stehen Buchstaben und Hausmarken). Gab es ja damals eben nicht. Um dieser althergebrachten Heraldik zu entweichen, müssten neue Figuren eingetragen werden(z.B. durch Schaffung und Eintragung einer solchen). Eigentlich begleitet ja bereits bei der Verwendung der Farben beim Prozess die Fantasie. Grüne Löwen, goldene Eicheln,… usw.
Was die Erkennbarkeit angeht, ist es aus meiner Sicht nur durch Heraldiker zu erkennen, um was es sich handelt. Der normale Betrachter kennt weder einen Rinken noch einen Feuerstahl. Also andersrum, wird man sich die Frage stellen lassen müssen: was ist das und warum und wofür steht es?
Aber warum nicht an der 3:2:3 Regel festhalten, wenn das die „anerkannte „Regel“ ist? Nur mal so auf die Schnelle ein paar Gedanken von mir.

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Re: Phantasie – gibt es ein Zuviel ?

Beitrag von Ryan » 31.05.2022, 15:16

Der Wappen von Ebert ist doch erkennbar, oder? Der Helmzier besonders so. Ein Hals macht der Kopf nicht großer und erhöht nicht der Erkennbarkeit. Erkennbarkeit ist auch nicht immer der Stärke von gotische Wappen.

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Re: Phantasie – gibt es ein Zuviel ?

Beitrag von GM » 31.05.2022, 15:35

Rheinländer_ hat geschrieben:
31.05.2022, 14:41
[...] Also andersrum, wird man sich die Frage stellen lassen müssen: was ist das und warum und wofür steht es?
[...]
Warum?
Bisher habe ich noch in keiner der zahlreichen diesbezgl. Debatten jemanden getroffen - traditionell ausgerichtet oder nicht - der sich zu der Forderung verstiegen hätte, Wappen müssten zwangsläufig redend sein.
Es geht doch um eindeutige, einmalige und prägnante/gut erkennbare Zeichen (für Familien), wenn ich das richtig verstehe.
Diese Anforderungen würde auch ein Abbild der Zahnspange meiner Enkelin erfüllen (und der Lord Lyon müsste dies eintragen :D ) - aber so weit würde ich nicht gehen :wink: .

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Re: Phantasie – gibt es ein Zuviel ?

Beitrag von Kaisertreuer2 » 31.05.2022, 15:56

Eigentlich bewundere ich die Phantasie des Mittelalter betreffend der Heraldik. Ich bin mir auch sicher, daß bei einem Turnier das Wappen mit dem Eberlöwen inklusive der Helmzier vom Herold durchgewunken worden wäre und er nicht den Zollstock gezückt hätte, weil er meinte, die Helmzier sei zu gedrungen geraten.

Regeln sind gute Richtlinien, die aber nicht immer ganz erfüllbar sind. Wenn jemand z.B. eine Kugel als Helmzier führt (Wappen Rollaz du Rosey), dann muß man halt mit einer kleineren Helmzier leben.

Manche Einwände hier (Erkennbarkeit des Wappens, Bezug zum Familiennamen usw.) erscheinen mir doch ziemlich an den Haaren herbeigezogen.

VG

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Re: Diskussion - Wappen stiften

Beitrag von GM » 31.05.2022, 15:59

Tejas552 hat geschrieben:
31.05.2022, 13:07
[...] Nun ja, letztendlich gilt der Geschmack des Stifters, auch wenn der Heraldik kein grosser Dienst erwiesen wurde. [...]
Ich halte diesen einen Satz in einem langen post für den Kern der (zum wiederholten Male in verschiedensten Variationen) geführten Debatte:
Jemand weiß - und beileibe nicht nur einer - und erklärt es unermüdlich den uneinsichtigen "Laienheraldikern", wie die Heraldik beschaffen ist resp. sein sollte und was ihr somit "einen Dienst erweist" oder eben nicht.
Diese Haltung lässt mich dann gelegentlich von "Dogma" und der "reinen Lehre der Heraldik" sprechen, ab und zu auch schonmal mißmutig 8) .

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Re: Phantasie – gibt es ein Zuviel ?

Beitrag von Ryan » 31.05.2022, 17:32

Ich weiß nicht was hier als autoritativ quellen gibt, ob überhaupt, aber ich würde gern die Berliner Erklärung zitieren:
8. Größenverhältnisse: sie wechseln in der Stilgeschichte, doch sollte eine Relation von 3 (Schild) : 2 (Helm) : 3 (Helmzier) vorherrschen.
Deutsch ist nicht meine erste Sprache, aber das lässt etwas Spielraum oder habe ich das missverstanden? Natürlich nur viel man kann, sollte nicht bedeuten das man soll. Traditionen haben oft Sinn, auch wenn wir uns nicht es sehen können. Chestertons Zaun usw. So, lass uns der Fall untersuchen.

Ein Eberskopf ist eine kurze Figur als ein Rumpf, sodass es schwere ist der Größenverhältnisse zu halten. Aber, ich muss auch fragen, wie ist ein Eberkopf traditionell dargestellt. Interessanterweise, gibt es ein traditioneller Unterschied zwischen englische und schottische Darstellungen von Eberskopf. Ein englischer Eberskopf hat ein Hals, obwohl kurz genug, um nicht mit einem Rumpf gewechselte zu werden. Was sind die deutschen Regeln?

Noch frage mich, warum der Helmzier so hoch sein muss? Vielleicht hat es was mit den Turnieren zu tun, bzw. nur Mode? Man kann sagen das es eine Geschmacksache ist, aber das bedeutet nicht das alle Geschmack sind gleich. Es gibt viel Wappen wo ich wünsche das jemanden den Stifter abgeraten wegen des Geschmacks. Wenn jemand sagen will, dass einen Rumpf bzw. Kopf mit langem Hals schöner oder traditioneller wäre, dann sie sollen das sagen.

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Tejas552
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Re: Phantasie – gibt es ein Zuviel ?

Beitrag von Tejas552 » 01.06.2022, 07:24

Rheinländer_ hat geschrieben:
31.05.2022, 14:41
....
Was die Erkennbarkeit angeht, ist es aus meiner Sicht nur durch Heraldiker zu erkennen, um was es sich handelt. Der normale Betrachter kennt weder einen Rinken noch einen Feuerstahl. Also andersrum, wird man sich die Frage stellen lassen müssen: was ist das und warum und wofür steht es?
...
Interessanter Punkt. Was ist mit Figuren, die im Mittelalter jeder kannte, die heute aber kaum noch jemand erkennen kann? Ein Feuerstahl und Kesselhaken (Rinken) sind gute Beispiele dafür. Mein Ansatz wäre es sie zu behalten und nicht durch modernere Figuren zu ersetzen. Sie haben einen grossen Erkennbarkeitswert auch wenn den meisten Betrachtern der Name und die Verwendung nicht mehr bekannt sind. Letzlich ist die Bedeutung der Figuren zweitrangig.

Damit scheine ich mir selber zu widersprechen. Schliesslich habe ich irgendwo geschrieben, dass Figuren möglichst in allen Elementen erkennbar sein sollen. Ich denke in der Regel stimmt das auch. Bei einem Mischwesen aus Eber und Löwen sollte der Eber-Teil und der Löwen-Teil also solche auch für den Laien erkennbar sein. Ein Rinken hingegen, muss nicht in seiner Bedeutung erkennbar sein. Es reicht wenn er in seiner grafischen Form klar erkennbar ist.
Zuletzt geändert von Tejas552 am 01.06.2022, 08:22, insgesamt 1-mal geändert.
Beste Grüsse
Dirk

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