Heraldischer "Donnerkeil"?

Ihre Fragen zur Heraldik sind hier willkommen
Your questions concerning heraldry are welcome here

Moderatoren: Markus, Christian Ader

Antworten
Benutzeravatar
Tejas552
Mitglied
Beiträge: 1327
Registriert: 30.05.2016, 14:04
Wohnort: Zürich
Kontaktdaten:

Heraldischer "Donnerkeil"?

Beitrag von Tejas552 » 02.11.2020, 15:22

Ich bin in der Online-Wappenrolle des Münchner Herold (s.u.) auf das Wappen "Speicher" Seite 284 gestossen:

https://www.online-wappenrolle.de/docs/ ... and_02.pdf

Im Blason heisst es "...vorne ein silberner Donnerkeil …" Im Aufriss wird der "Donnerkeil" als das Staats-Emblem der Ukraine, bzw. der Grossfürsten von Kiew (Trisub - Dreizack) dargestellt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Zeichen mit der Umschreibung "Donnerkeil" richtig blasoniert ist.
Was meint ihr?

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk

Benutzeravatar
Berlingo
Mitglied
Beiträge: 607
Registriert: 21.04.2007, 13:06

Re: Heraldischer "Donnerkeil"?

Beitrag von Berlingo » 02.11.2020, 15:56

Tejas552 hat geschrieben:
02.11.2020, 15:22
Im Blason heisst es "...vorne ein silberner Donnerkeil …" Im Aufriss wird der "Donnerkeil" als das Staats-Emblem der Ukraine, bzw. der Grossfürsten von Kiew (Trisub - Dreizack) dargestellt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Zeichen mit der Umschreibung "Donnerkeil" richtig blasoniert ist.
Was meint ihr?
Yep, da liegt wohl eine Verwechslung vor, vgl.:

https://www.heraldik-wiki.de/wiki/Donnerkeil_(Heraldik)
https://www.heraldik-wiki.de/wiki/Tryzub

Benutzeravatar
ChristianH
Mitglied
Beiträge: 104
Registriert: 05.10.2020, 21:21

Re: Heraldischer "Donnerkeil"?

Beitrag von ChristianH » 02.11.2020, 15:59

Für mich sieht das auch eher wie eine verspielte Version eines Dreizack aus, ähnlich dem Maserati Logo.

Edit: Berlingo hat ja schon die Lösung

Grüße
Christian

Benutzeravatar
münchnerherold
Mitglied
Beiträge: 876
Registriert: 11.09.2005, 23:08
Wohnort: München
Kontaktdaten:

Re: Heraldischer "Donnerkeil"?

Beitrag von münchnerherold » 03.11.2020, 00:36

Hab da mal die Begründung nachgelesen,...
Der Donnerkeil, aus einem alten Siegel der Ukreine entnommen,
nimmt auf die Herkunftsregion der Vorfahren des Wappenstifters Bezug.
So steht das in seinem Wappenbrief.
Leider kann ich den Urheber nicht mehr fragen da dieser verstorben ist.
Schöne Grüße,
Kurzmeier MH
Sagen was man denkt, machen was man sagt.

Mitglied bei:
BLF
COMP GEN
DAGV
www.muenchner-wappen-herold.de

Benutzeravatar
Tejas552
Mitglied
Beiträge: 1327
Registriert: 30.05.2016, 14:04
Wohnort: Zürich
Kontaktdaten:

Re: Heraldischer "Donnerkeil"?

Beitrag von Tejas552 » 03.11.2020, 08:49

münchnerherold hat geschrieben:
03.11.2020, 00:36
Hab da mal die Begründung nachgelesen,...
Der Donnerkeil, aus einem alten Siegel der Ukreine entnommen,
nimmt auf die Herkunftsregion der Vorfahren des Wappenstifters Bezug.
So steht das in seinem Wappenbrief.
Leider kann ich den Urheber nicht mehr fragen da dieser verstorben ist.
Schöne Grüße,
Kurzmeier MH
Interessant. Wie ich eingangs schon geschrieben habe und wie Andreas bestätigt hat, ist das dargestellte Symbol der Trisub/Tryzub=Dreizahn/Dreizack, der seit Anfang des 11 Jahrhunderts u.a. auf den Münzen des Grossfürsten Wladimir des Heiligen als sein persönliches Siegel auftritt (petchat' velikogo knyaza= Siegel des Grossfürsten). Ob das Symbol wirklich einen Dreizack darstellen soll ist mehr als fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass es ein sehr stilisierter Vogel (Rabe?) sein soll, der in ähnlicher Form aus Skandinavien überliefert ist. Schliesslich war Wladimir skandinavischer Herkunft.

Wie dem auch sei, man hat sich wahrscheinlich bei der Blasonierung gescheut, ein grossfürstliches Siegel oder das ukrainische Staatssymbol direkt zu benennen und ist daher auf die Bezeichnung "Donnerkeil" ausgewichen. Wenn die Führungsberechtigen das Wappen in der dargestellten Form auch in Zukunft führen wollen, bzw. sicher stellen wollen, dass es wie dargestellt weitergegeben wird, müssten sie vermutlich den Blason korrigieren lassen. Ein interessantes Beispiel dafür, dass im Zweifelsfall vermutlich doch die Darstellung über den Blason gehen kann.

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk

Benutzeravatar
Jochen
Mitglied
Beiträge: 5187
Registriert: 23.11.2004, 22:57
Wohnort: Freie und Hansestadt Hamburg

Re: Heraldischer "Donnerkeil"?

Beitrag von Jochen » 03.11.2020, 09:52

Tejas552 hat geschrieben:
03.11.2020, 08:49
....Ob das Symbol wirklich einen Dreizack darstellen soll ist mehr als fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass es ein sehr stilisierter Vogel (Rabe?) sein soll, der in ähnlicher Form aus Skandinavien überliefert ist. Schliesslich war Wladimir skandinavischer Herkunft.
....
Denkbar wäre, daß der "Dreizack" auf ein tatarisches "Tamğa" zurückzuführen ist. Die Herby der polnischen Szlachta sind voller Hauszeichen, die meist auf tatarischen Urspung zurückzuführen sind. Teile der Ukraine standen früher unter polnisch-litauischem Einfluß, und eine tatarische Minderheit gibt es dort auch....
Ne suy plus vil que les aultres

jochen

Benutzeravatar
Kaltofen
Mitglied
Beiträge: 90
Registriert: 15.01.2016, 09:12

Re: Heraldischer "Donnerkeil"?

Beitrag von Kaltofen » 03.11.2020, 09:59

Lieber einen Donnerkeil als einen Donnerbalken im Wappen!

Grüße von der Küste!

Benutzeravatar
Tejas552
Mitglied
Beiträge: 1327
Registriert: 30.05.2016, 14:04
Wohnort: Zürich
Kontaktdaten:

Re: Heraldischer "Donnerkeil"?

Beitrag von Tejas552 » 03.11.2020, 11:38

Jochen hat geschrieben:
03.11.2020, 09:52
Tejas552 hat geschrieben:
03.11.2020, 08:49
....Ob das Symbol wirklich einen Dreizack darstellen soll ist mehr als fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass es ein sehr stilisierter Vogel (Rabe?) sein soll, der in ähnlicher Form aus Skandinavien überliefert ist. Schliesslich war Wladimir skandinavischer Herkunft.
....
Denkbar wäre, daß der "Dreizack" auf ein tatarisches "Tamğa" zurückzuführen ist. Die Herby der polnischen Szlachta sind voller Hauszeichen, die meist auf tatarischen Urspung zurückzuführen sind. Teile der Ukraine standen früher unter polnisch-litauischem Einfluß, und eine tatarische Minderheit gibt es dort auch....
Das Zeichen tritt, wie gesagt, in der bekannten Form bereits um 1000 auf den Münzen des Grossfürsten Wladimir von Kiew auf. Es ist damit mindestens 200 Jahre älter als das sogenannte "Tatarenjoch" unter dem die russischen Fürstentümer seit etwa 1200 gefallen sind und unter dessen Einfluss sich auch die Verwendung von Tamgas ausbreitete. So zum Beispiel im Fürstentum Ryazan, dass noch bis Anfang des 15. Jahrhunderts seine Münzen mit einer Tamga gegenstempelte, oder die bekannten "Säulen des Gediminas".

Die Verbindung des Trizub zu einem Vogelmotiv wird durch die Existenz einer extrem seltenen Münzen (nur 2 Exemplare bekannt) unterstützt, die um 950 unter der Grossfürstin Olga geprägt wurde. Es handelt sich dabei um ein Imitation eines arabischen Dirhems auf dem ein Vogelkopf unter einem Kreuz angebracht wurde. Ein Vogel war offenbar schon vor Wladimir das Zeichen der Rurikiden.

7. Bild in diesem Link
https://www.caitlingreen.org/2015/03/so ... coins.html

Gruss
Dirk
Zuletzt geändert von Tejas552 am 03.11.2020, 12:37, insgesamt 2-mal geändert.
Beste Grüsse
Dirk

Benutzeravatar
Claus J.Billet
Heraldiker
Beiträge: 6775
Registriert: 22.11.2004, 08:57
Wohnort: 70794 Filderstadt
Kontaktdaten:

Re: Heraldischer "Donnerkeil"?

Beitrag von Claus J.Billet » 03.11.2020, 11:43

nur so nebenbei :
Nicht ganz unwichtig ist es auch, ab wann die Ukreine dies Symbol
zum Staats-Wappen erklärt hat :
https://de.wikipedia.org/wiki/Trysub
:idea:

Antworten