Relief in Hannover

Ihre Fragen zur Heraldik sind hier willkommen
Your questions concerning heraldry are welcome here

Moderatoren: Markus, Christian Ader

Jan Hannover
Beiträge: 2
Registriert: 14.10.2020, 20:40

Relief in Hannover

Beitrag von Jan Hannover » 15.10.2020, 11:07

Hallo,

mein Name ist Jan und ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung von Heraldik dafür aber einige Fragen. In Hannover in der Röselerstraße steht ein Bau aus der Nachkriegszeit. In der Mauer eingelassen ist ein Relief mit der Inschrift: "Ano dm 1535".
Hier das Bild in Originalgröße Bild
Mich interessiert die Abbildung. Könnte das ein "wilder Mann" sein? Und was hält er in seinen Händen? Ein Schild oder Tablett. Darauf liegt oder ist abgebildet ein Stamm mit drei Blumenblüten. Und was könnte es bedeuten?

Benutzeravatar
Tejas552
Mitglied
Beiträge: 1326
Registriert: 30.05.2016, 14:04
Wohnort: Zürich
Kontaktdaten:

Re: Relief in Hannover

Beitrag von Tejas552 » 15.10.2020, 12:11

Hallo Jan,

willkommen im Forum.
Die Figur könnte tatsächlich ein "Wilder Mann" sein. Der Wilde Mann war auch auf den Münzen der verschiedenen Welfen-Herzöge ein beliebtes Motiv, entweder alleine oder als Wappenhalter.

Auch auf dem Relief hält der "Wilde Mann" einen Wappenschild (in Form einer Tartsche). Das Wappenmotiv ist ein Baumstamm mit drei Blüten daran. Es sollte möglich sein, die Familie zu der das Wappen gehört zu identifizieren.

Gruss
Dirk
Beste Grüsse
Dirk

Benutzeravatar
Gerd
Mitglied
Beiträge: 2266
Registriert: 01.08.2013, 16:24
Wohnort: terra plisnensis
Kontaktdaten:

Re: Relief in Hannover

Beitrag von Gerd » 15.10.2020, 15:48

Mit besten Grüssen
Gerd
Bild

Joachim v. Roy
Mitglied
Beiträge: 5020
Registriert: 09.08.2005, 13:20

Relief in Hannover

Beitrag von Joachim v. Roy » 15.10.2020, 17:23

Ich denke, daß es sich hier um das Wappen der 1922 im Mannesstamm
erloschenen hessischen Uradelsfamilie v. S c h a c h t e n handelt
vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Schachten ... eschlecht) .
Zu den letzten lebenden Mitgliedern des Geschlechts gehörte
Karoline v. und zu Schachten (* 1799), die den Rittergutsbesitzer,
Diplomaten und Königlich Hannoverschen Kammerherrn Adolf
Graf Grote (+ Hannover 1841) geheiratet hatte und die zu Hannover
am 8. März 1885 verstarb.

Gegen die vorstehende Annahme spricht, daß die Jahresangabe 1535
nicht zu einer Uradelsfamilie paßt.

MfG

zobelrolf
Mitglied
Beiträge: 205
Registriert: 22.01.2011, 20:41
Wohnort: Lahnstein

Re: Relief in Hannover

Beitrag von zobelrolf » 16.10.2020, 08:59

vermutlich handelt es sich um Wilhelm von Schachten, 1500-1553. Gründe dafür sind der gestürzte Schild, siehe Heraldik-wiki und die Spottmaske an der Schachtenburg, siehe Dr. Peter.
Grüße zobelrolf

Joachim v. Roy
Mitglied
Beiträge: 5020
Registriert: 09.08.2005, 13:20

v. Schachten

Beitrag von Joachim v. Roy » 16.10.2020, 10:24

Da Wilhelm v. Schachten 1 5 5 3 starb (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_von_Schachten )
und da der „gestürzte“ Schild auf den T o d eines Angehörigen der Familie v. Schachten hinweist,
so müßte auch die Jahresangabe 1 5 5 3 und nicht 1 5 3 5 lauten. Hier dürfte es sich wohl um einen
„Dreher“ handeln.

MfG

Benutzeravatar
Gerd
Mitglied
Beiträge: 2266
Registriert: 01.08.2013, 16:24
Wohnort: terra plisnensis
Kontaktdaten:

Re: Relief in Hannover

Beitrag von Gerd » 16.10.2020, 12:23

Meinen Glückwunsch an die Herrn v. Roy und Zobel zur Identifizierung des Wappens :!:
Mit besten Grüssen
Gerd
Bild

zobelrolf
Mitglied
Beiträge: 205
Registriert: 22.01.2011, 20:41
Wohnort: Lahnstein

Re: Relief in Hannover

Beitrag von zobelrolf » 16.10.2020, 12:58

lieber Herr von Roy,
der gestürzte Schild deutet hier nicht auf das Aussterben einer Familie hin sondern um die Ehrverletzung einer Person und die Maske ist der Spott darber, so habe ich mir das gedacht. :P
zobelrolf

zobelrolf
Mitglied
Beiträge: 205
Registriert: 22.01.2011, 20:41
Wohnort: Lahnstein

Re: Relief in Hannover

Beitrag von zobelrolf » 16.10.2020, 13:04

lieber Herr von Roy,
hier deutet der gestürzte Schild nicht auf das Aussterben einer Linie hin, sondern auf die Ehrverletzung einer Person und die Spottmaske ist die Reaktion darauf. so habe ich mir das ausgedacht. :P
Herzliche Grüße zobelrolf

Jan Hannover
Beiträge: 2
Registriert: 14.10.2020, 20:40

Re: Relief in Hannover

Beitrag von Jan Hannover » 16.10.2020, 13:42

Wow....vielen Dank für die fixen und kompetenten Antworten!!! Ich hoffe ich habe alles richtig verstanden...

ich fasse mal kurz zusammen:

Vermutlich das Wappen der von Schachten...
Umgedrehtes Wappen, deutet auf den Tod oder Ehrverletzung
Könnte Wilhelm von Schachten sein

Ich hab noch einige Fragen:

Kann es echt sein, dass sich auf dem Relief wirklich ein Zahlendreher befindet? Also wenn ich die Witwe des Herrn von Schachten gewesen wäre, dann hätte ich ... zumindest ein ernsthafteres Gespräch mit dem ausführenden Steinmetz geführt. Aber ansonsten passt es, die Schlacht in der er starb, war die Schlacht bei Sievershausen 1553, nicht weit weg von Hannover. Und warum verewigt man das in Hannover?

Wenn der umgedrehte Schild ein Anzeiger für den Tod des Wilhelm von Schachten war (oder als Demütigung für die Familie) , was bedeutet der ungepflegte Herr, der den Schild dreht? Könnte es ein wilder Mann sein? Wenn ja, wofür steht er in diesem Fall?

Viele Grüße
Jan

Joachim v. Roy
Mitglied
Beiträge: 5020
Registriert: 09.08.2005, 13:20

v. Schachten

Beitrag von Joachim v. Roy » 16.10.2020, 16:53

Gab es denn im Jahre 1 5 3 5 einen Herrn v. Schachten, der aufgrund eines Gerichtsurteils
gehenkt wurde und n e b e n dessen Leichnam man den gestürzten Wappenschild am Galgen
aufhing? Nur so gäbe die Annahme einer „E h r v e r l e t z u n g“ einen Sinn. Sollte dies nicht
der Fall gewesen sein, so dürfte der “gestürzte“ Wappenschild für den T o d eines ehrlichen
Wappenträgers sprechen.

Im übrigen: wenn in Niedersachsen einst der Letzte eines alten Adelsgeschlechtes starb,
dann wurde ihm sein „zerspellter“ Wappenschild mit ins Grab gegeben.

Schön wäre es, wenn man die moderne Steinmetzarbeit in einer „normalen“ Größe zu sehen bekäme.

MfG

Joachim v. Roy
Mitglied
Beiträge: 5020
Registriert: 09.08.2005, 13:20

v. Schachten - v. Schlitz

Beitrag von Joachim v. Roy » 16.10.2020, 21:03

Zum „Wildmännli“:

Der am 31. Juli 1 5 5 3 gefallene Marschall Wilhelm v. S c h a c h t e n
war mit Elisabeth v. S c h l i t z genannt Görtz, der Tochter des Junkers
Werner v. Schlitz, verheiratet
(vgl. https://dlib.rsl.ru/viewer/01004441804#?page=868 ). Durch seine Heirat
erbte Wilhelm die halbe Herrschaft Schlitz. Hier begann er 1 5 5 2 mit dem Bau
der S c h a c h t e n b u r g , einem Adelshof innerhalb der hessischen Stadt Schlitz.

Nach seinem Tode beendete Elisabeth 1 5 5 7 die Bauarbeiten
(vgl. http://schloesser.gnm.de/wiki/Schlitz,_Schachtenburg https://de.wikipedia.org/wiki/Schlitz_( ... burg_b.png ).

Die nachmaligen Grafen v. S c h l i t z genannt Görtz führten als Schildhalter
2 w i l d e M ä n n e r
(vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Schlitz_( ... z_1726.jpg ). Daraus läßt sich
die Vermutung herleiten, daß das „Wildmännli“ gleichsam für die Witwe
Elisabeth v. Schachten geborene v. S c h l i t z steht, welche den „gestürzten“
Wappenschild ihres gefallenen Ehemannes Wilhelm v. S c h a c h t e n vorweist.
Aus allem ergibt sich, daß die Jahreszahl 1 5 3 5 falsch ist. Richtig wäre
vielmehr 1 5 5 3 .

Freundliche Abendgrüße vom Rhein

Benutzeravatar
RobertK.
Mitglied
Beiträge: 586
Registriert: 01.08.2019, 10:32
Wohnort: OWL

Wappenstein "unbekannt"

Beitrag von RobertK. » 17.10.2020, 07:46

Guten Morgen in die Runde,

zum Wappenstein in der Röselerstraße in Hannover einige Anmerkungen meinerseits:

1. Zum Wappen
Eine Ähnlichkeit zum Wappen der Familie v. Schachten ist durchaus vorhanden, identisch ist es jedoch nicht:

Blason Wappen unbekannt (Tinkturen unbekannt):
Ein schräglinks liegender gestümmelter Rosenzweig, oben mit einer Rose, unten mit zwei Rosen besetzt.

Blason Wappen der Familie v. Schachten:
In Silber ein schrägrechts liegender gestümmelter roter Rosenzweig, oben mit zwei Rosen, unten mit einer Rose besetzt.

Die Ausrichtung des Rosenzweigs und die Positionen der Rosen unterscheiden sich. Selbst wenn man das Wappen der Familie v. Schachten spiegelt (Courtoisie oder irgendein anderer Grund), wäre lediglich der Rosenzweig schräglinks, niemals aber oben nur eine Rose.

2. Zur Geschichte
Wilhelm von Schachten ist am 09.07.1553 im "Zweiten Markgrafenkrieg" in der Schlacht bei Sievershausen (20 km östlich von Hannover) verwundet worden und drei Wochen später in Kassel verstorben und beerdigt worden. Seinen Tod kann man wohl kaum mit einer „Ehrverletzung“ in Zusammenhang bringen.
Seine Witwe Elisabeth (geb. v. Schlitz gen. v. Görtz) baute die gemeinsam begonnnene Schachtenburg in Schlitz zu Ende, ein Zusammenhang mit Hannover ist hier nicht zu erkennen.

3. Zum „Wilden Mann“
Einen Bezug zwischen der Darstellung des Grafenwappens der Grafen v. Schlitz gen. v. Görtz nach dem Reichsgrafendiplom vom 10.06.1726 mit den beiden „Wilden Männern“ als Schildhalter und dem knapp 200 Jahre vorher geschaffenen Wappenstein in Hannover kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen.
„Wilde Männer“ wurden/werden gerne und oft als Schildhalter verwendet, ein Alleinstellungsmerkmal liegt hier also kaum vor.

4. Zur Suche in den Archiven
Die Suche im „Arcinsys Niedersachsen“ mit den Begriffen „Schachten“ und „Hannover“ ergab keine verwertbaren Ergebnisse.
Die Suche im „Arcinsys Hessen“ mit den Begriffen „Schachten“ und „Hannover“ ergab natürlich Treffer bzgl. der Aktivitäten von Wilhelm v. Schachten; Verwertbares i. S. Wappenstein „unbekannt“ war aber nicht zu finden.

Zusammenfassung zu den bisherigen Ergebnissen:
Die Annahme, dass Datum und Ausrichtung vom Steinmetzt verhauen worden sein sollen, ist sehr spekulativ und unwahrscheinlich, ein räumlicher Zusammenhang zwischen der Familie v. Schachten und Hannover im engeren Sinne ist zu dieser Zeit nicht gegeben und von einer Ehrverletzung im Zusammenhang mit Wilhelm v. Schachten (und Hannover als Ort) ist auch nichts bekannt. Der Nachweis dafür, dass es sich um das Wappen der Familie v. Schachten handeln soll, ist so kaum zu erbringen. Ich lasse mich natürlich gerne eines Besseren belehren:-)

M. E. nach handelt es sich eher um einen Wappenstein für eine lokal ansässige Familie. Hier käme z.B. die Familie Lühnde in Betracht. Das Wappen ist (leider etwas klein) auf der Seite von „Deutsche Inschriften Online“ auf dem Epitaph für die drei Kinder des Erich von Wintheim und der Ilse Lühnde in der Marktkirche zu Hannover zu sehen (Foto Nr. 2) und gleicht i. S. Ausrichtung und Anzahl der Rosen dem Wappenstein „unbekannt“.
Link zu DIS: http://www.inschriften.net/zeige/sucher ... ml#content

@ Jan Hannover:
Stelle doch bitte ein Foto vom ganzen Haus ein, vielleicht ergeben sich dann weitere Ansätze. Eine freundliche Anfrage bei der örtlichen Denkmalpflege könnte auch hilfreich sein.
Halte uns bitte auf jeden Fall auf dem Laufenden:-)

Beste Grüße
Robert

Joachim v. Roy
Mitglied
Beiträge: 5020
Registriert: 09.08.2005, 13:20

Relief in Hannover

Beitrag von Joachim v. Roy » 17.10.2020, 11:09

Hallo Jan,

wie Robert freundlicherweise zu verstehen gab, dürfte sich eine Anfrage
beim Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege, Abteilung
Bau- und Kunstdenkmalpflege (Bildarchiv), Scharnhorststraße 1, 30175 Hannover,
aber auch beim - zur Zeit wegen Sanierungsmaßnahmen geschlossenen -
Historischen Museum Hannover (Bildarchiv), Pferdestraße 6, 30159 Hannover
(vgl. https://www.hannover.de/Kultur-Freizeit ... Bildarchiv ),
empfehlen. Viel Erfolg.

MfG

Assenheim
Beiträge: 1
Registriert: 28.05.2022, 15:13

Re: Relief in Hannover

Beitrag von Assenheim » 28.05.2022, 20:09

Hallo,
das Wappen führt in Hannover die Familie Lunde, siehe hierzu auch Abbildung bei Paul Theile, Das Bemeroder Tagebuch des Jonas Lunde, Hannover 1995, S. 68.
Gruß
Dierk

Antworten