kriesel hat geschrieben:ich möchte ein Ortsteilwappen entwerfen aber nicht nur das, ich möchte auch eine einfache Flagge für diesen Ortsteil entwerfen um das Wappen auch auf einer Flagge präsentierbar zu machen. Ist das aus heraldischer Sicht vertretbar oder zu viel des Guten?
@kriesel, es stellt sich eigentlich die Frage, was hier mit „Ortsteil“ gemeint ist. Derzeit werden viele Dörfer, die ja schon zuvor zu Verwaltungsgemeinschaften zusammengeschlossen wurden, nun erneut in noch größeren Komplexen zusammengefasst, um Kosten zu sparen, wie man hört. Eine für mich persönlich nicht nachvollziehbare Folge ist, dass die einmal entworfenen Wappen der nunmehrigen
Ortsteile, und sogar ältere überlieferte Symbole, wieder hinfällig werden, um sie dann durch eine Emblematik zu ersetzen, die „alle“ Teilgemeinden gleichermaßen repräsentieren soll. Das Ergebnis ist inhaltlich wie gestalterisch meist unbefriedigend. Weil es nur selten gelingen kann, die vielen geschichtlichen Besonderheiten der Ortsteile zu übernehmen, entsteht meist so eine Art „Summen-Wappen“, wenn ich es einmal so nennen darf. Man kann beobachten, dass es dabei zur Regel geworden ist, die Summe der Ortschaften meist durch Blätter, Sterne oder andere Objekte darzustellen, häufig abgerundet mit irgendwelchen Wellenlinien, bzw. „Flüssen“, die der Natur der Dinge zufolge ohnehin
überall vorhanden sein müssen. Dadurch entsteht eine stereotype austauschbare Symbolik, und es kann sich kein Zeichen etablieren, mit dem sich auch die Menschen irgendwann einmal identifizieren würden, wie es sich etwa mit einem
„Münchner Kindl“, einem
„Berliner Bären“ oder einem
„Stuttgarter Pferdle“ verhält, um einmal plakative Beispiele zu nennen.
Diesem Mißstand könnte man zunächst einmal begegnen, indem man das Gemeindewappen nicht primär, bzw. nicht allein als ein „Hoheitszeichen“ im rechtlichen Sinne betrachtet (übrigens ein Chargon, den ich auch primär den Diskussionen auf Webplattformen entnehme), sondern einfach zur Kenntnis nimmt, dass das Ganze ja auch einer kulturellen Betrachtung unterliegt. Wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass vielen Ortswappen, die häufig ab den 60er Jahren entworfen wurden, auch einer beispielhaften Archivarbeit und eine hervorragende Grafik zugrunde liegen, fällt es noch schwerer einzusehen, dass diese Symbolik nun durch motivationslose, oder sagen wir, beliebige Embleme ausgetauscht werden soll. Ein Vorschlag zur Abhilfe wäre nach meiner Ansicht leicht umsetzbar, - indem man sich nämlich für Namen
und Wappen des Hauptortes einer Verwaltungsgemeinschaft entscheidet wenn es um Gemeindesiegel, bzw. Symbolik nach rechtlichen Erfordernissen gehen soll, - während man die Wappen der übrigen Teilgemeinden einfach beibehält, etwa um damit bei Dorffesten zu schmücken oder auch das Eigentum dieser Gemeinden im engeren Sinne zu kennzeichnen.
Wäre also hier, mit „Ortsteil“ etwa so ein Dorf einer Verwaltungsgemeinschaft gemeint, welches schon in geschichtlicher Zeit ein eigenes Gemeinwesen bildete, könnte dafür durchaus auch ein eigenes Wappen existieren, auch wenn es nicht als Siegel Verwendung finden, oder an der Tür des Feuerwehrfahrzeuges angebracht werden würde.
Möchte man ein Gemeindewappen entwerfen, geht es eigentlich nicht ohne Archivarbeit. Es gibt viele Beispiele, bei denen in Vergessenheit geratene Dorfsiegel wieder neu aufgerissen wurden. Im Übrigen müsste man, je nach dem was man vorfindet, die Motivwahl mit anderer Symbolik abwägen, wie bspw. mit Wappen der Dorfherrschaft, bzw. den Schildbildern alter Geschlechter, die eine gewisse Bedeutung für einen Ort hatten, bzw. sich nach ihm benannten. Diese Untersuchungen werden allzu häufig unterlassen (weil mit Mühe verbunden), und führen auch zu den oben beschriebenen „Allerweltswappen“, in denen Bäume, Bäche (Wellenlinien) und Mühlenräder dominieren.
Wie schon öfter gezeigt, befinden sich die Kommunalwappen in der Schweiz auf einem hohen Niveau:
Beispiel Kanton Basel-Land
Beispiel Kanton Aargau
Man kann in der Bundesrepublik ein Süd-Nord-Gefälle hinsichtlich der Wappengestaltung ausmachen. Während in Baden-Württemberg und Bayern tendenziell bessere Gestaltung, und an der gewählten Symbolik auch Archivarbeit erkennbar wird, die auf ein gewisses Geschichtsbewusstsein hindeutet, verweisen die Gemeindewappen im Norden häufig auf Allgemeinplätze wie Natur (Wasserwellen, Bäume) und Sehenswürdigkeiten. (wirken also „zahm“ und „unpolitisch“) Stereotyp sind das Wagenrad, das Wasserrad, die Wellenlinie und Laubblätter in allen Varianten. Das hierbei auch Tourismusvereine und Werbegemeinschaften, die ein „Branding“ für eine Gegend etablieren wollten Pate gestanden haben, könnte man sich gut vorstellen. Es dominiert auch gegenüber der heraldisch „aggressiven“, „aktiven“ und bedeutenderen Farbe
Rot, ein passives „biedermeierliches“
Grün, wenn ich es einmal so nennen darf.
Beispiel Lks. Holstein
Beispiel Lks. Dithmarschen
Beispiel Lks. Barnim
@kriesel, die Frage die Sie stellen zielt wohl letztlich darauf ab, ein lokales Zeichen zeigen zu können, mit dem sich eine Gemeinschaft bzw. einzelne Personen identifizieren können, nehme ich an. Also eine Flagge für den Garten. (?) So lange das eine Privatinitiative bleibt ist es eigentlich egal, mit welchen „inoffiziellen“ Emblemen man sein Umfeld schmückt, auch wenn sie für eine Gemeinde stehen sollen. Von da her sehe ich eigentlich keine Probleme. Schöner wäre es natürlich einen offizielleren Weg einzuschlagen, bei dem es aber noch nicht einmal zu „amtlichen“ Symbolen kommen muss. – Nur richtig sollten sie eben sein. Als Flagge wäre eine echte
Wappenflagge, also ohne Streifen, einmal ein
schönes Exempel. Oder hier:
St.Galler Tageblatt.
Grüße