Frage zur Vierung / Heraldische Regeln

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Uller
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Frage zur Vierung / Heraldische Regeln

Beitrag von Uller » 16.09.2013, 14:56

Guten Tag,
ich habe eine Frage zur Vierung:

Bei Vierungen sieht man häufig, das gleiche Farben/Metalle aufeinander treffen. Dies ist doch aber ein Verstoß gegen die heraldischen Regeln, oder nicht? Als Beispiel hier mal ein Bild des Wappens von Martinsheim (Silber trifft auf Silber):

http://s7.directupload.net/file/d/3382/wbs9yuya_gif.htm


Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen!!!

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Gernot
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Beitrag von Gernot » 16.09.2013, 15:23

Dies ist halt der Effekt, wenn etliche Wappen zu einem Kombinationswappen zusammengesetzt werden.

Im Falle von Martinsheim ist im Schild strenggenommen nicht ein Wappen, sondern es ist die Kombination aus den vier Wappen Hohenzollern, Seinsheim, Unterickelsheim und Enheim. Nicht schön, aber häufig.

chj
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Beitrag von chj » 16.09.2013, 16:34

Siehe auch das Wappen des Vereinigten Königreiches, wo halt das englische Rot mit dem irischen Blau kollidiert. Lässt sich nicht vermeiden, da es an sich eigenständige Teile sind.

Im o.g. Wappen sieht es nicht so arg aus.

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Simplicius
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Beitrag von Simplicius » 16.09.2013, 17:14

Im Falle von Martinsheim ist im Schild strenggenommen nicht ein Wappen, sondern es ist die Kombination aus den vier Wappen Hohenzollern, Seinsheim, Unterickelsheim und Enheim. Nicht schön, aber häufig.
Nun, man müsste fragen, - was ist schön? Ich schreibe hier, weil es zur Eingangsfrage, die schon unendliche Male gestellt wurde, einen Bezug zu einigen anderen Fäden hier im Forum gibt, zu denen eine Reaktion meinerseits aber noch aussteht.

Schon immer wurden Wappen vereinigt und dazu meist in mehrere Felder eingeteilt. Welche Tinkturen aneinanderstießen war dabei mehr oder weniger zufällig, wie hier schon geschrieben wurde und ein populäres Bsp. wie Großbritannien zeigt. Ob aber ein Wappen „schön“ oder „hässlich“ ist, liegt nicht primär daran, und stimme hier chj zu.
  • Noch genauer genommen, setzt sich das Wappen von Martinsheim aus 4 Geschlechterwappen zusammen, die als „Dorfherrschaften“ für 3 der Orte eine Rolle spielten, und einem Feld (Nr.3) mit den Attributen eines Kirchenpatrons, der für die 4. Ortschaft im Bunde steht. Zusammenhänge kann man hier bei Wikipedia nachlesen: Martinsheim Wappen. Nur am Rande, das Feld für die Gemeinde Ehnheim (Nr.4) zeigt das Schildbild der Herren von Ehenheim. (Sehr gut finde ich auf dieser Wikipedia-Seite, dass authentische Abbildungen verwendet wurden)
Grüße

Uller
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Beitrag von Uller » 16.09.2013, 18:49

Danke für die ausführlichen Antworten!
Sind gevierte Wapppen immer zusammengesetzte Wappen?

chj
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Beitrag von chj » 16.09.2013, 20:08

Nicht immer. Wenn die Stifter der letzten Jahre viel Krimskrams in ihre Wappen packen, kommt auch gern mal eine Vierung dabei heraus.

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Gernot
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Beitrag von Gernot » 17.09.2013, 08:28

Uller hat geschrieben:Danke für die ausführlichen Antworten!
Sind gevierte Wapppen immer zusammengesetzte Wappen?
Nein. Hohenzollern sind auch geviert und da ist nichts zusammengesetzt.

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Berlingo
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Beitrag von Berlingo » 17.09.2013, 09:52

Gernot hat geschrieben:Nein. Hohenzollern sind auch geviert und da ist nichts zusammengesetzt.
Hmm ... gibt es da neue Erkenntnisse? Mein letzter Stand ist, daß wir nichts Sicheres über die Entstehung des bekannten von Silber und Schwarz gevierten Schildes wissen. Es könnte also so sein, wie Du sagst, daß da nichts Zusammengesetztes ist ... es könnte aber auch genau das Gegenteil sein: daß da etwas Zusammengesetztes ist.

Weiß man inzwischen, warum im Jahre 1248 die Zollern der schwäbischen Linie, die Nachkommen Friedrichs IV., nicht mehr den ursprünglichen Löwen, sondern eine Vierung im Schild zeigten? Wo kann man diese Forschungsergebnisse evtl. nachlesen?

1001 Grüße

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Gernot
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Beitrag von Gernot » 17.09.2013, 15:11

Berlingo hat geschrieben: ... es könnte aber auch genau das Gegenteil sein: daß da etwas Zusammengesetztes ist.
Dann würde es mich brennend interessieren, welche Familie einen ledigen silbernen Schild führt!

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Berlingo
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Beitrag von Berlingo » 17.09.2013, 16:39

Gernot hat geschrieben:
Berlingo hat geschrieben: ... es könnte aber auch genau das Gegenteil sein: daß da etwas Zusammengesetztes ist.
Dann würde es mich brennend interessieren, welche Familie einen ledigen silbernen Schild führt!
Einen silbernen Schild führte beispielsweise laut Rietstap die Familie Maigret (ou Megret): D'argent plein. Die haben natürlich nichts mit den Zollern zu tun, das ist schon klar. Nur zur Info, daß die eine oder andere Quelle auch Familien nennt, die vorgeblich einen ledigen silbenern Schild führen.

Bitte nicht falsch verstehen: Mein Frage bezog sich wirklich nur darauf, ob es irgendwelche neuen Erkenntnisse zum Wappenwechsel der Zollern gibt. Dein Satz klang so, als ob man mittlerweile "beweisen" kann, daß im Zollernwappen nichts Zusammengesetztes ist. Es macht für mich persönlich einen Unterschied, ob Quellen vorhanden sind, die belegen, daß das Zollernwappen etwas "Nichts-Zusammengesetztes" beziehungsweise etwas "Zusammengesetzes" ist -- oder ob ich "lediglich" mit Ockhams Rasiermesser "erschließe", daß das Zollern-Wappen etwas "Nicht-Zusammengesetztes" sein muß.

Immerhin stehen wir beim Zollern-Wappen vor einem spannenden heraldischen Rätsel, warum es zu dem merkwürdigen Motivwechsel vom Löwen zur Vierung kam ... und warum ausgerechnet Silber und Schwarz zur Anwendung kommen (der Zollern-Löwe war ursprünglich Rot im silbernen Schild, dann Schwarz in goldenem Schild).

1001 Grüße

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Simplicius
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Beitrag von Simplicius » 17.09.2013, 17:03

Berlingo hat geschrieben:
Gernot hat geschrieben:Nein. Hohenzollern sind auch geviert und da ist nichts zusammengesetzt.
Hmm ... gibt es da neue Erkenntnisse? Mein letzter Stand ist, daß wir nichts Sicheres über die Entstehung des bekannten von Silber und Schwarz gevierten Schildes wissen. Es könnte also so sein, wie Du sagst, daß da nichts Zusammengesetztes ist ... es könnte aber auch genau das Gegenteil sein: daß da etwas Zusammengesetztes ist.
Gernot hat geschrieben:
Berlingo hat geschrieben: ... es könnte aber auch genau das Gegenteil sein: daß da etwas Zusammengesetztes ist.
Dann würde es mich brennend interessieren, welche Familie einen ledigen silbernen Schild führt!
Wie ich sehe gab es schon eine Frage, die sich ja nun aufdrängen würde.




@Berlingo, umgekehrt könnte man doch aber fragen woher „Ihr letzter Stand“ rührt. Warum nicht gleich zeigen was Sie veranlasst, dass Sie nun sagen, “es könnte aber auch genau das Gegenteil sein: daß da etwas Zusammengesetztes ist.“? Sie verwenden dabei ja auch das Wort - “etwas“. Um die Aufnahme verschiedener bereits bestehender Schildbilder in einem quadrierten Feld, so wie es das Beispiel des Gemeindewappens zeigt, handelt es sich wohl sicher nicht, denn wie hätten die Ausgangswappen ohne Schildfiguren ausgesehen? Dass die Zollern ursprünglich ein anderes Wappen, bzw. auch verschiedene Wappen parallel führten, bliebe ja davon unbenommen.
  • (Insbesondere bei Heroldsbildern ging es aber nicht selten um das Zeigen bestimmter Farben oder Farbfolgen, die Familienbeziehungen, Vasallität oder ein Amt andeuten konnten. Aber auch dabei handelt es sich i.d.R. nicht um die „Zusammensetzungen“, um die es hier oben eigentlich ging.)
__________
  • Berlingo hat geschrieben:Weiß man inzwischen, warum im Jahre 1248 die Zollern der schwäbischen Linie, die Nachkommen Friedrichs IV., nicht mehr den ursprünglichen Löwen, sondern eine Vierung im Schild zeigten? Wo kann man diese Forschungsergebnisse evtl. nachlesen?
    Es gibt ja bspw. einen bekannten Beitrag von Stillfried-Alcantara (1881). Gelesen habe ich ihn noch nicht, allerdings andere Literatur, die sich an seine Nachrichten anlehnt. Außerdem gibt es mehrere ähnlich gelagerte Beispiele zu weiteren Familien, wie etwa den Wittelsbachern als Pfalzgrafen bei Rhein, aber auch den Babenbergern als Hzz. von Österreich. Nicht selten war es wohl so, dass die immer häufiger vorkommenden Adler- und Löwenwappen durch andere Schildbilder ersetzt oder ergänzt wurden. (Lexikon Heraldik)

    Das schwäbische Geschlecht der Zollern stellte ja bereits die Burggrafen von Nürnberg, als man gerade erst begonnen hatte Wappen anzunehmen. Der Burggraf wurde aber zunächst vom König/Kaiser eingesetzt. Wie bei verschiedenen anderen Geschlechtern auch, gewann dieses erste Wappen vermutlich eher den Charakter eines „Amtswappens“, oder wurde zumindest am Ende als solches betrachtet. Das wäre also der Löwenschild, den die fränkischen Zollern später mit rot-silbern gestücktem Bord, mit ihrem wohl nun als eigentliches Geschlechterwappen betrachteten quadrierten Schild vereinten. Die Farbfolge Rot-Silbern taucht übrigens auch bei anderen königl. Burggrafen auf und hat evtl. etwas mit älteren Reichsfarben zu tun.

    Auf der Webseite historisches-lexikon-bayerns.de kann man auch nachlesen, dass um die Mitte des 13.Jh. die Herrschaftsteilung zwischen fränkischen und schwäbischen Zollern vollzogen wurde, was mit dem Auftauchen des quadrierten Schildes in dieser Zeit zusammenpassen könnte.

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Beitrag von zobelrolf » 17.09.2013, 20:16

das Zollernwappen ist eine Vierung als Heroldsbild, siehe Ständer!
Die vielen Vierungen im Siebmacher gehören zur Kanzlei-Statussymbol-Heraldik, für die die Turnierheraldik Regeln nicht gelten. Die Turnierheraldik-Regeln gelten in Deutschland nur in bestimmten Heraldikvereinen, die die Herold-Tradition der Heraldik pflegen wollen. In Deutschland gibt es nicht die Heraldik, wie in England, es gibt viele Heraldikvereine, also viele Meinungen! Wie immer schafft nur ein Blick zu Dr. Peter Klarheit!
:lol: :lol: :lol:

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Gernot
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Beitrag von Gernot » 18.09.2013, 07:50

Simplicius hat geschrieben:Das schwäbische Geschlecht der Zollern stellte ja bereits die Burggrafen von Nürnberg, als man gerade erst begonnen hatte Wappen anzunehmen. Der Burggraf wurde aber zunächst vom König/Kaiser eingesetzt. Wie bei verschiedenen anderen Geschlechtern auch, gewann dieses erste Wappen vermutlich eher den Charakter eines „Amtswappens“, oder wurde zumindest am Ende als solches betrachtet. Das wäre also der Löwenschild, den die fränkischen Zollern später mit rot-silbern gestücktem Bord, mit ihrem wohl nun als eigentliches Geschlechterwappen betrachteten quadrierten Schild vereinten. Die Farbfolge Rot-Silbern taucht übrigens auch bei anderen königl. Burggrafen auf und hat evtl. etwas mit älteren Reichsfarben zu tun.
Schon die Raabs als Vorgänger der Zollern im Nürnberger Burggrafenamt führten als Wappen den Löwen mit gestückten Bord. Dieses Motiv entstand nicht unter den Zollen.

Die Raabs wiederum sollen ihren eigenen Löwenschild vor das älteste Nürnberger Wappen, eine sechsfache rot-silberne Schrägteilung, gestellt haben, woraus der gestückte Bord entstand. Die Zollern übernahmen das Raabswappen als Amtswappen der Burggrafschaft, ein Hauswappen war das nie.

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Claus J.Billet
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Beitrag von Claus J.Billet » 18.09.2013, 08:57

Zwischenanmerkung :

Bei Restaurierungsarbeiten auf der Zollernburg Zimmern
(1953-54) erzählte mir der Hausmeister, auf meine Frage nach der Zweiteilung der Hausflagge, dies stelle die beiden Linien der Hohenzollern dar. Schwaben und Preussen.
Leider habe ich damals nicht nach weiteren Daten gefragt. :oops:
Könnte jedoch eine logische Erklärung sein. :wink:

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Berlingo
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Beitrag von Berlingo » 18.09.2013, 09:41

Gernot hat geschrieben: Schon die Raabs als Vorgänger der Zollern im Nürnberger Burggrafenamt führten als Wappen den Löwen mit gestückten Bord. Dieses Motiv entstand nicht unter den Zollen.

Die Raabs wiederum sollen ihren eigenen Löwenschild vor das älteste Nürnberger Wappen, eine sechsfache rot-silberne Schrägteilung, gestellt haben, woraus der gestückte Bord entstand. Die Zollern übernahmen das Raabswappen als Amtswappen der Burggrafschaft, ein Hauswappen war das nie.
Vorsicht: Es sind 2 verschiedene Löwen (zumindest kann man das bei Ströhl, Seyler, Zingeler u. a. nachlesen)!

1. Der eigentliche Zollern-Löwe, wird Friedrich IV., dem "Löwen"; zugeordnet: Überliefert auf einem Siegel von 1226, Zollern-Löwen ohne Krone, einschwänzig, vorgeblich Rot in silbernen Feld, von einem gelb/schwarzen Bande umwickelten Rundstabe umgeben ("gewulstet").

Bild

2. Der Nürnberger Zollern-Löwe (= Wappen derer von Raabs), wurde ursprünglich wohl überwiegend vom Bruder Friedrichs genutzt, dem Burggrafen Konrad: Zum Beispiel auf einem Siegel 1240, mit Krone, doppelschwänzig, vorgeblich Schwarz in goldenem Feld (Hohenstaufen), der Rand rot-silber "gestückt" (nicht gewulstet).

Bild

Die o. g. Autoren schreiben nun, daß nur der 1. Löwe das Zollersche Geschlechterwappen ist!

Der 2. Löwe sei, so kann man die Texte interpretieren, tatsächlich kein Motiv eines Hauswappens, sondern Reminiszenz an Nürnberg (und zwar weil Friedrich III., der Vater, 1192, durch die Heirat mit Sophie Rätz (Razze) an das Burggrafenamt von Nürnberg kam).

1001 Grüße

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