Vollwappen mit Zier nötig oder reicht ein Wappenschild?

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P. v. Freyhold

Vollwappen mit Zier nötig oder reicht ein Wappenschild?

Beitrag von P. v. Freyhold » 16.11.2012, 19:05

Hallo,

ich bin neu hier und beschäftige mich als Kommunikationsdesigner mit meinem Familienwappen im Bezug auf eine zeitgemäße Anpassung des Wappens als eine Art Logo im heutigen Sinn. Das heißt klare, reduzierte Formen, schnelle Erkennbarkeit, Optimierung fürs Web, Druckfähigkeit in geringen Größen, mögliche einfarbige Darstellung ... eben alles was auch ein gutes Marken-Logo haben sollte.

Meine Frage ist nun ob man theoretisch nur das Schildwappen ohne Helm, Decke, Zier, etc. verwenden darf. Im Fall meiner Familie wäre der Inhalt des Schildes ein schrägrechts Balken mit drei sechsstrahligen Sternen. Reicht das Schildwappen aus um die Familie erkennbar zu machen? Das Schildwappen stellt ja im Prinzip das Wesentliche des Wappens dar. Helm und Zier hat ja jedes Wappen und dient nicht unbedingt zur klaren Abgrenzung.

Wäre der Verwendung von nur dem Wappenschild aus heraldischer Sicht etwas entgegen zu setzen? Zum Beispiel für Siegel, auf Visitenkarten, etc.

Ich freue mich über Aufklärung! Vielen Dank!

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Bernhard
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Beitrag von Bernhard » 16.11.2012, 19:57

Die zeitgemäße Darstellung eines Familienwappens erfolgt im Stile ihrer Blütezeit, der Hochgotik/Spätgotik.
Ein Familienwappen besteht aus Schild mit Inhalt und Oberwappen, auch wenn da nur ein paar Straußenfedern sind.
Es gibt m. E. keinen akzeptablen Grund zur "Logoisierung", weder aus heraldischer noch aus ästhetischer Sicht.

Was für eine ästhetische Pest diese Logoisierung darstellt, sieht man z. B. hier:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/f ... ne.svg.png
Das war mal der Lothringen-Schild.

Wollen Sie sich in dieses Fahrwasser begeben?
Zuletzt geändert von Bernhard am 16.11.2012, 21:07, insgesamt 1-mal geändert.

Wappenkundler
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Re: Vollwappen mit Zier nötig oder reicht ein Wappenschild?

Beitrag von Wappenkundler » 16.11.2012, 21:03

P. v. Freyhold hat geschrieben: Im Fall meiner Familie wäre der Inhalt des Schildes ein schrägrechts Balken mit drei sechsstrahligen Sternen.
Eigentlich handelt es sich nicht um einen "schrägrechten", sondern um einen "schräglinken" Balken. :wink:

P.S. Ich frage mich allen Ernstes, wie man "einen mit drei Sternen belegten schräglinken Balken" zeitgemäß anpassen könnte. :roll:
Zuletzt geändert von Wappenkundler am 16.11.2012, 21:09, insgesamt 1-mal geändert.
Wappen sind Zeichen für die Ewigkeit

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Bernhard
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Beitrag von Bernhard » 16.11.2012, 21:08

Siebmacher Band: Bad Seite: 145 Tafel: 83, Pr Seite: 131 Tafel: 176, PoA Seite: 26 Tafel: 17, PrE Seite: 73 Tafel: 62

chj
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Re: Vollwappen mit Zier nötig oder reicht ein Wappenschild?

Beitrag von chj » 16.11.2012, 21:33

Wappenkundler hat geschrieben:
P.S. Ich frage mich allen Ernstes, wie man "einen mit drei Sternen belegten schräglinken Balken" zeitgemäß anpassen könnte. :roll:
statt Wappenschild anderes Format und keinen Helm. :(
Beim Logo gelten heraldische Regeln nicht.

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Bernhard
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Beitrag von Bernhard » 16.11.2012, 22:11

Verrückte Welt: Wer kein Wappen hat, lechzt nach Authentizität, und die, die ein altes Wappen ihr eigen nennen, mögen es nicht und wollen lieber ein "Logo".

Kopfschüttel.....

Frank Martinoff

Beitrag von Frank Martinoff » 16.11.2012, 22:31

Bernhard hat geschrieben:Verrückte Welt: Wer kein Wappen hat, lechzt nach Authentizität, und die, die ein altes Wappen ihr eigen nennen, mögen es nicht und wollen lieber ein "Logo".

Kopfschüttel.....
I second that..... :(

So wurde aus dem Hohenberger Wappen

http://de.wikipedia.org/wiki/Hohenberg_ ... chlecht%29

dieses Logo

www.rottenburg.de/i/rottenburg_logo.gif

:(

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Bernhard
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Beitrag von Bernhard » 16.11.2012, 23:40

aaaaaaaargh! :twisted:

Joachim v. Roy
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Beitrag von Joachim v. Roy » 17.11.2012, 09:42

Unklar ist die Beschreibung des Freyhold'schen Wappens. Während der „Gotha“ von 1928 von einem silbernen Schild spricht, der mit einem – mit drei g o l d e n e n Sternen belegten - roten Schräg r e c h t s balken besetzt ist (das „Adelslexikon“ von 1975 gibt hier drei s i l b e r n e Sterne an), und als Helmzier einen silbern-gepanzerten
S c h w e r t a r m zwischen einem offenen schwarzen A d l e r f l u g ausweist, findet man in Rietstap's „Armorial Général“ vom Ende des 19. Jahrhunderts die folgende Wappenbeschreibung: "D'argent à la barre de gueules ch. de trois étoiles d'or. Casque couronné. Cimier: trois plumes d'autruche, une de gueules entre deux d'argent.“ (das wäre: in Silber ein – mit drei goldenen Sternen belegter - roter Schräg l i n k s balken. Auf dem gekrönten Helm drei S t r a u ß e n f e d e r n , eine rote zwischen zwei silbernen).

Um eine Familie „erkennbar“ zu machen, würde es ausreichen, lediglich den Wappenschild zu verwenden (z.B. auf Geschäftspapier). Für ein S i e g e l jedoch sollte man auf jeden Fall auf das Vollwappen zurückgreifen (evtl. auf den Wappenschild nebst Krone). Als ausgesprochen schlechter Stil galt es vor hundert Jahren, seine Visitenkarte mit einem Wappen zu versehen (hier scheint neuerdings ein gewisser Wandel eingetreten zu sein).

Freundliche Grüße vom Rhein

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Markus
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Beitrag von Markus » 17.11.2012, 13:59

Ein Wandel den ich sehr begrüße. Die Visitenkarte ist doch ein perfektes Medium, um ein Wappen auch wirklich zu führen. Schleierhaft, warum das vor hundert Jahren anders gesehen wurde. Vielleicht galt man als Emporkömmling, Angeber, oder so etwas?

Meine Visitenkarte wird auch von unserem Wappen geziert, was die Leute denken, spielt für mich keine Rolle. Aber sorry, ich komme vom Thema ab.

Ich bin ebenfalls ein ausgesprochener Gegner von "Wappenlogoisierungen". Gerade auch im kommunalen Bereich greifen immer mehr Gemeinden zu diesem, in meinen Augen ärmlichen Mitteln. Wenn man dann noch überlegt, wieviel Geld für solche Entwürfe ausgegeben wird... :roll:
Heraldische Grüße
Markus

Vollwappen im Wappenindex Greve:
https://www.familie-greve.de/wappeneint ... &wid=72488

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Beitrag von SR-7v » 17.11.2012, 16:07

Zu den Wappen der Geschlechter namens Freyhold siehe bereits hier 2008:
http://www.heraldik-wappen.de/viewtopic ... t=freyhold

Dragan Ciric
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Re: Vollwappen mit Zier nötig oder reicht ein Wappenschild?

Beitrag von Dragan Ciric » 17.11.2012, 16:11

P. v. Freyhold hat geschrieben: Wäre der Verwendung von nur dem Wappenschild aus heraldischer Sicht etwas entgegen zu setzen? Zum Beispiel für Siegel, auf Visitenkarten, etc.

Ich freue mich über Aufklärung! Vielen Dank!
Es spricht nichts dagegen, besser "nur" Schild verwenden als ein Logo zu erstellen (wenn man schon ein Wappen hat).

P. v. Freyhold

Beitrag von P. v. Freyhold » 17.11.2012, 17:22

Vielen Dank für die vielen schnellen Antworten!

Entgegen den ziemlich schrecklich gestalteten Logo Beispielen à la http://upload.wikimedia.org/wikipedia/f ... ne.svg.png und www.rottenburg.de/i/rottenburg_logo.gif ist meine Absicht die Schildform zu erhalten, lediglich alles darum herum zu entfernen. Eventuell bis auf den hauenden Arm mit Schwert, da dieser noch als Alleinstellungsmerkmal angesehen werden könnte. Am konsequentesten wäre aber natürlich nur das Schild mit Inhalt.
Ging die Wappenentwicklung in ihren Anfängen nicht auch nur vom Schild aus? Erst später kamen dann die Zier-Elemente hinzu? Also wäre das pure Schild die ursprünglichste Variante, reduziert, ohne Schnick-Schnack, auf den Punkt gebracht.
Natürlich ohne das Ganze so schlecht zu abstrahieren wie in den Beispielen oben.

Was spricht dagegen die Wappendarstellung an die aktuelle Zeit anzupassen? In ihrer (wie erwähnten) Blütezeit, der Hochgotik/Spätgotik, wurden die Wappen auch an den jeweiligen Epochenstil angepasst. Für die heutige Epoche ist dieser altertümliche Stil eben nicht mehr allgemein anwendbar und entspricht nicht der zeitgemäßen Gestaltung. Ritter gehören eigentlich nicht mehr zum heutigen Weltbild. Das ist natürlich nur meine Meinung ... und eher als Konzept anzusehen.

Noch eine Frage zu dem Balken. Durch die vielen Widersprüche in den Büchern ist es schwer sich für eine Version zu entscheiden. Ist es sinnvoll sich für die älteste Darstellung zu entscheiden? Wie entscheidet man welche Balkenstellung die korrekte ist? Normalerweise schrägrechts Balken (\) und auf dem Siegelring als Negativ schräglinks (/)?

Freue mich über weitere Antworten!

chj
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Beitrag von chj » 17.11.2012, 20:35

Schildform und Helmtyp haben sich durch die Jahrhunderte natürlich geändert und schon sehr lange haben die Wappenstifter Besseres zu tun als gar ritterlich eine Lanze wider einen Ritter zu brechen oder ihm auf den Helm herumzuprügeln und sich dafür in lauter Stahl zu hüllen. :wink:

Wir nehmen trotzdem einen Stechhelm Marke "Albrecht Dürer 1503", wenn es kein Turnierhelm sein soll. Die Schildformen sind ähnlich alt.
Heraldik ist da konservativ. 8)

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Berlingo
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Beitrag von Berlingo » 17.11.2012, 22:00

P. v. Freyhold hat geschrieben: Wie entscheidet man welche Balkenstellung die korrekte ist? Normalerweise schrägrechts Balken (\) und auf dem Siegelring als Negativ schräglinks (/)?
Hat Hupp schon 1918 beantwortet:

(Hätten Guido List und andere Schwarmgeister, die Schräglinks und Schrägrechts irgendwelche Bedeutungen unterschieben wollen --Anm. von mir) "(..) je Quellen benützt, so müßten (sie) wissen, wie gleichgültig die Stellung gerade bei den älteren Wappen ist, wie in ein und demselben Geschlecht, ja von einer Person das Wappenbild bald rechtshin, bald linkshin gewendet geführt wurde ..."

Quelle: Otto Hupp. Wider die Schwarmgeister. Bd. 2. S. 14

Übrigens: Bitte mal mit dem Siegelring ein Siegel anfertigen und sich dann das Siegel anschauen. Ist der Balken im Siegel nun (heraldisch) schräglinks oder schrägrechts ... :wink:

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