Führungsberechtigt

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mengel
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Beitrag von mengel » 26.10.2007, 21:22

Ich frage mich, ob nicht die Menschen selbst innerhalb eines überschaubaren Zeitabschnitts die "Agnaten-Befürworter" zwingen werden umzudenken. Über die Führungsberechtigung bei nichtehelichen Kindern (heute sagt man ja politisch korrekt eigentlich "Kinder, deren Eltern nicht miteinander verheiratet sind") im allgemeinen möchte ich mich gar nicht weiter auslassen. Es wird ja immer wieder am Rande bemerkt, dass nichteheliche Kinder keine Führungsberechtigung haben bzw. dass jemand nichteheliche Kinder von deiser ausschließen wolle. Ich denke, dass dieser Handhabung am Ende das Bundesverfassungsgericht widersprechen dürfte. Also grenze ich die Sachlage einmal ein. Auch wenn wir davon ausgehen, dass nichteheliche Kinder führungsberechtigt wären, so kann man auch wiederum davon ausgehen, dass der Großteil dieser Kinder den Namen ihrer Mutter tragen (auch wenn mittels übereinstimmender Sorgeerklärung der Name des Vaters angenommen werden kann). Laut eurostat ist der Anteil der Kinder, deren Mutter bei Geburt nicht verheiratet war (d. h. es sind nicht alle nichtehelichen Kinder erfasst) in Deutschland von 1995 mit 15.39% im Jahr 2005 auf 29.18% gestiegen. Im Vereinigten Königreich lag diese Zahl 2005 schon bei über 42%, in Schweden über 55%, in Island über 65%. Nur in Griechenland und Zypern lag sie im einstelligen Prozentbereich.

Unter diesen Bedingungen kann ein Wappen statistisch gesehen kaum drei Generationen weitergereicht werden, wenn man an der Agnaten-Methode festhält. Denn das nichteheliche Kind dürfte dann ja auch nicht das Wappen der Mutter führen, weil diese es nicht weitervererben dürfte. Das Wappen ist damit nicht mehr generationenübergreifend, sondern tritt zeitlich eher episodenhaft auf. Ganz zu Schweigen von der doch eigentlich unnötig hohen Anzahl an Neustiftungen, die dadurch notwendig werden. Sonst wird doch (auch von heraldischen Vereinen) dazu geraten, die Führungsberechtigung auf andere Zweige auszudehnen, um die Anzahl der Neustiftungen zu begrenzen.

Auch gar nicht mehr so seltene Entschlüsse am Hochzeitstag wie Vater behält eigenen Namen, Mutter behält eigenen Namen und Kinder führen den Namen der Mutter, führen zu der gleichen Situation.

Sollte der Trend ungebrochen sein, denke ich, wird der Wertewandel in der Gesellschaft nach neuen Definitionen für Führungsberechtigungen verlangen und am Ende auch die jetzigen Verfechter der Agnaten-Theorie.

Sollte es zu genau diesem Thema schon ältere Beiträge geben, würde ich mich freuen, wenn mich jemand darauf verweisen könnte. Ich konnte bisher nichts dergleichen finden.

MHentrich
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Beitrag von MHentrich » 26.10.2007, 21:38

mengel hat geschrieben:...Es wird ja immer wieder am Rande bemerkt, dass ... Ich denke, dass dieser Handhabung am Ende das Bundesverfassungsgericht widersprechen dürfte... Auch wenn wir davon ausgehen, dass ... wären, so kann man auch wiederum davon ausgehen, dass ... Unter diesen Bedingungen kann ein Wappen statistisch gesehen kaum drei Generationen weitergereicht werden, wenn... Denn das nichteheliche Kind dürfte... Sollte der Trend ungebrochen sein, denke ich, ... Sollte es zu genau diesem Thema schon ältere Beiträge geben, würde ich...
Ich sehe da keinerlei Probleme. Denn deine Visionen werden ja nur Anwendung finden auf Familien(namen), die ein Wappen führen. Bei diesen kann man annehmen, dass sie stärker an Traditionen festhalten als solche, die kein Wappen führen. Ansonsten bleibt alles Spekulation. Also: was solls? Und dem Bundesverfassungsgericht ist das alles, mit Verlaub, ziemlich egal. Und dein multipler Konjunktiv sagt genau - nichts... :idea:
Martin Hentrich

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Claus J.Billet
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hm...

Beitrag von Claus J.Billet » 27.10.2007, 08:13

Nur mal so angedacht:
Eine Möglichkeit wäre u.U. auch die Nutzung der englischen
Variante :
http://www.wappen-billet.de/forum/Bastard.jpg
:lol:
Text dazu unter "Das große Buch der Wappenkunst"
von Leonhard, Seite 345

mengel
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Beitrag von mengel » 27.10.2007, 21:38

@mhentrich: Tut mir leid, dass meine akute Konjunktivitis zu Problemen beim Verständnis geführt haben. Eigentlich wollte ich das Bundesverfassungsgericht auch erst außen vor lassen. Es hat mich nur so in den Fingern gejuckt. Es lenkte von meinem eigentlichen Gedankenanstoss ab. Auch wenn ein Wappen nicht die leibliche und seelische Entwicklung oder die Stellung des Kindes in der Gesellschaft berührt (GG), bleibt das Problem, das ich meinte, erhalten: Faktisch führt ein - meiner Meinung nach - nicht mehr zu vernachlässigender Anteil der in den letzten Jahrzehnten geborenen Kinder nicht mehr den Namen des Erzeugers. Das Kind muss heute nach der Auffassung vieler Eltern nicht mehr "einen Namen haben", wie es zu der Zeit noch hieß, aus der das Agnatenkonzept stammt. Die dadurch resultierenden Probleme für dieses Führungsberechtigungskonzept an sich wollte ich gerne diskutiert sehen. Ich denke auch, dass Menschen, die sich heute mit (der Stiftung von) Wappen auseinandersetzen, im Durchschnitt eher im, naja, traditionsinteressierten Raum anzutreffen sind, aber ob ein Familienwappen ausreicht, um eine so grundlegende Entscheidung zu beeinflussen - ich weiß es nicht. Der eigene Name steht vielen doch vermutlich sogar noch viel näher als das Wappen und sogar dieser bremst den Trend nicht. Aber ich will die Antwort so mal stehen lassen. Sicher kann man sich auch auf diesen Standpunkt stellen: Nicht das Wappenwesen muss dem Wandel der Zeit angepasst werden, sondern das Wappenwesen verhindert den Wandel der Zeit. Wie realistisch das ist, mag die nahe Zukunft bringen. Ich habe meine Zweifel.

@Billet: Im Prinzip ist das ja eine Art der Wappendifferenzierung. Ja, wieso nicht? Ein Bastardfaden o. ä. mag vielleicht dem einen oder anderen moralisierend vorkommen, aber es sind andere Differenzierungen durchaus denkbar. Man könnte am Agnatenkonzept festhalten und gleichzeitig gewähren, dass andere namensgleiche Nachfahren ihr Wappen differenzieren müssen (Eine Überlagerung von Tradition und Moderne). Dies könnte aber über die Generationen zu einer Vielzahl von Differenzierungen führen. Wenn ich in der Wappenfibel nachschlage (3400 III. 3. a), ist Heinrich Hußmann auch schon mit seinen Persönlichkeitszeichen gescheitert. Die Einhaltung des Ausschließlichkeitsgrundsatzes wäre erschwert. Ob das diesem Konzept nicht auch blühen dürfte?

Kira
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Beitrag von Kira » 14.05.2008, 14:30

zu führungsberechtigung habe ich nachfolgendes "bestimmt":

Führungsberechtigt: Alle Agnaten, insbesondere die weiblichen Agnaten der Eheleute Siegfried Schmidt geboren am xxxxx an der Nahe und Petra Theiß-Schmidt geborene xxxxxxx in Leverkusen.
Als erste führungsberechtige Agnatin sei hier Claudia Schmidt geboren am xxxxxxx in Kirn an der Nahe genannt.
Bei später abweichenden Familiennamen ist die Herkunft auf die wappenstiftende Familie nachzuweisen.


was sagen die fachleute (nicht traditionalisten) dazu?

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Markus
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Beitrag von Markus » 14.05.2008, 14:48

Tja, hm, ich würde mich nicht gerade in die absolut traditionalistische Ecke stellen wollen, allerdings vertrete ich die Ansicht, dass ein Wappen untrennbar mit dem Familiennamen verbunden ist. Insofern könnte ich dem letzten Punkt keinesfalls zustimmen. Warum machen Sie es sich nicht einfacher und formulieren: Führungsberechtigt sind alle Nachkommen, solange Sie den Familiennamen "Schmidt" führen.
Heraldische Grüße
Markus

Vollwappen im Wappenindex Greve:
https://www.familie-greve.de/wappeneint ... &wid=72488

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Bernhard
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Beitrag von Bernhard » 14.05.2008, 15:09

Kira hat geschrieben:Bei später abweichenden Familiennamen ist die Herkunft auf die wappenstiftende Familie nachzuweisen
Nein. Unmöglich. Kopplung Wappen - Familienname. Name weg - Wappen weg.

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Beitrag von countrytrucker8 » 14.05.2008, 18:42

H. Theising hat folgendes geschrieben (Auszug)
Führungsberechtigt sind alle Nachkommen, solange Sie den Familiennamen "Schmidt" führen.
Es wäre doch am einfachsten wenn man den zweiten Satzteil ausklammern würde. Übrig bliebe dann: Führungsberechtigt sind alle Nachkommen.

In der ersten Generation ist das ja eh der Fal. Warum dann nicht auch weiterhin? Vielleicht wechselt mal der Nachname, aber der Verbund in der Familie bleibt trotzdem bestehen. Ja ich weiß anderer Name andere Familie. Das ist aber doch (man entschuldige bitte den Ausdruck) absoluter Tinnef. Selbstverständlich bleibt die Verwandschaft zur ersten (Stifter) Familie bestehen. Da hat doch der Familienname überhaupt keinen Einfluß drauf.
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Bernhard
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Beitrag von Bernhard » 14.05.2008, 18:53

countrytrucker8 hat geschrieben:....Vielleicht wechselt mal der Nachname...
Name weg, Wappen weg!!!
countrytrucker8 hat geschrieben:Das ist aber doch (man entschuldige bitte den Ausdruck) absoluter Tinnef.
Nein, das ist die Grundlage der eindeutigen Wappenzuordnung.
countrytrucker8 hat geschrieben:Da hat doch der Familienname überhaupt keinen Einfluß drauf.
Das ist leider einfach falsch. Ein Wappen ist an den Namen gekoppelt.

So leid es mir tut, Ihre diesbezüglichen Ansichten dürften singulär sein und von der überwältigenden Mehrheit ernstzunehmender Heraldiker nicht geteilt werden.

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Beitrag von Kira » 14.05.2008, 18:57

wie ist die nutzung eines wappens im stammesverband zu verstehen?
http://www.stammesverband-stursberg.com/StuWeb1.htm
da heißt doch auch ein jedes anders?



ich will nicht diskutieren sondern nur verstehen.

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Beitrag von countrytrucker8 » 14.05.2008, 19:01

So leid es mir tut, Ihre diesbezüglichen Ansichten dürften singulär sein und von der überwältigenden Mehrheit ernstzunehmender Heraldiker nicht geteilt werden.
Ob ich jetzt allein mit dieser Meinung stehe lasse ich jetzt lieber unkommentiert. Fakt ist meiner Meinung nach, das hier die ev. Mehrheit die Du hier vertrittst, einfach sowohl Grundgesetz als auch den geltendem Familienrecht widerspricht. Und dann frage ich mich was wichtiger ist. Wir haben hier in der BRD sehr viele unsinnige Gesetze und Verordnungen aber die beiden gehören wohl kaum dazu.
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Führungsberechtigung

Beitrag von Claus J.Billet » 14.05.2008, 19:04

Lesen Sie bitte hier :
Richtlinien zu Wappenführung und Wappengebrauch
http://heraldik-wappen.de/viewtopic.php?t=661

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Bernhard
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Beitrag von Bernhard » 14.05.2008, 19:07

Kira hat geschrieben:wie ist die nutzung eines wappens im stammesverband zu verstehen?
http://www.stammesverband-stursberg.com/StuWeb1.htm
da heißt doch auch ein jedes anders?
Es ist etwas anderes, ob "Stursberg, Storsberg, Stosberg, Stoßberg/Stossberg und Strasburg" verschiedene Formen desselben Namens darstellen (die sich in einer früheren Zeit weniger festgelegter Namens-Orthographie nebeneinander entwickelt haben) und alle Namensträger im Mannesstamm auf einen gemeinsamen Stammvater zurückgehen, oder ob eine Tochter namens Agathe Wagner einen Mann namens Friedrich Zündel heiratet und die Kinder Zündel heißen. Wenn eine Tochter aus dem Stammesverband "Stursberg, Storsberg, Stosberg, Stoßberg/Stossberg und Strasburg" jenen Friedrich Zündel heiratet, können dessen Kinder Jonas Zündel und Matthias Zündel auch nicht das "Stursberg, Storsberg, Stosberg, Stoßberg/Stossberg und Strasburg"-Wappen führen, sondern gehören zum Mannesstamm Zündel und führen das Zündel-Wappen, wenn es denn eines gibt.

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Claus J.Billet
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Beitrag von Claus J.Billet » 14.05.2008, 19:12

@ Bernhard

Volle Zustimmung :!: :lol:
Der genannte Herr Zündel bringt ..ähem...neues Blut in die Familie ein,
ergo :arrow: Zündel :arrow: Neue Linie :arrow: Neue Familie :arrow: Neues Wappen :!: :lol:
Zuletzt geändert von Claus J.Billet am 14.05.2008, 19:17, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von Bernhard » 14.05.2008, 19:16

countrytrucker8 hat geschrieben:....einfach sowohl Grundgesetz als auch den geltendem Familienrecht widerspricht.......
Sie übersehen, daß Heraldik ein bißchen komplexer ist als Sie sich das vorstellen und nicht erst seit 1945 existiert. Wir beschäftigen uns hier mit einem sehr alten und traditionellen kulturellen Phänomen, neben dem das Grundgesetz ein kleines Baby ist. Außerdem kann ich keinen Widerspruch zum Grundgesetz feststellen. Insofern ist das Grundgesetz einfach ein falsches Mittel, um Heraldik zu verstehen. Ich habe eher den Eindruck, wenn einem was nicht paßt, wedelt man einfach mal mit dem Grundgesetz.

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